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Ein dreijähriges HIV-infiziertes Mädchen

Foto: APA/EPA

Auch nach der umjubelten Kehrtwende ihrer Aidspolitik wirkt die südafrikanische Gesundheitsministerin nicht gerade überzeugt. "Es bleiben noch viele Fragen offen", kommentierte Manto Tshabala-Msimang die Entscheidung der Regierung, nun doch ein landesweites Programm aufzulegen, das auch den Ärmsten im Land den Zugang zu lebensverlängernden Aidsmedikamenten ermöglicht.

Mit den Kosten für die Behandlung in allen öffentlichen Krankenhäusern sei sie noch nicht zufrieden, zeigte sich die burschikose Ministerin trotzig. Aber sie wird sich wohl fügen müssen, denn ihre renitente Verweigerungshaltung hat Südafrika schon genug Schaden eingebracht.

Umso stürmischer wurde der überraschende Kurswechsel im Land begrüßt. "Höchst erfreut" reagierte Expräsident Nelson Mandela, der weltweit Spenden zur Bekämpfung der verheerenden Immunschwächekrankheit sammelt und wiederholt deutliche Kritik an der Regierung seines Nachfolgers Thabo Mbeki übte.

Auch Kirchen, Gewerkschaften und Oppositionsparteien applaudierten. Er sei überglücklich, sagte Zackie Achmat, der Begründer der einflussreichen Anti-Aids-Bewegung "Treatment Action Campaign", die seit Jahren gegen die zögerliche Aidspolitik der Regierung kämpft. Achmat ist selbst HIV-infiziert und kann nun die umstrittenen Aidsmedikamente einnehmen, die er aus Protest verweigerte, solange nicht alle Kranken Zugang haben.

Hohe Infektionsrate

Südafrika hat eine der höchsten Infektionsraten auf dem Kontinent. Nach jüngsten Schätzungen sind inzwischen fünf Millionen Südafrikaner erkrankt, jeder Zehnte im Land ist HIV-positiv. Ein Bericht der Weltbank sagte kürzlich einen "völligen wirtschaftlichen Zusammenbruch" innerhalb von vier Generationen voraus, wenn Südafrika nicht entschieden gegen die Seuche vorgehe.

Neben der immer noch mangelnden Aufklärung und der Verbesserung der Lebensverhältnisse gehören dazu auch die Aidsmedikamente, auf die nach Meinung der südafrikanischen Mediziner mindestens 500.000 Infizierte dringend angewiesen sind. Die so genannten Anti-Retrovirals schränken die Verbreitung des Virus im Körper ein und stärken das Immunsystem. Bei richtiger Anwendung können Aidspatienten ihre Krankheit unter Kontrolle bringen und noch Jahrzehnte länger leben.

Bisher bezweifelte die Regierung die Wirksamkeit der Medikamente, obwohl andere afrikanische Länder längst Erfolge verzeichnen. Gesundheitsministerin Tshabala-Msimang propagiert stattdessen richtige Ernährung und Kräutermedizin.

Traditionelle Heiler sollen in Südafrika in die Aidsbekämpfung mit eingebunden werden. Das eine tun, ohne das andere zu lassen, zu diesem Beschluss hat sich die Regierung unter dem Druck der Kritiker und bevorstehender Wahlen im nächsten Jahr nun durchgerungen. Und dabei auch das entscheidende Kostenargument aus dem Weg geräumt. 1,5 Milliarden Euro wird es kosten, um eine flächendeckende Versorgung auch in den entlegenen ländlichen Gebieten und die dafür notwendige Ausbildung und ärztliche Betreuung zu gewährleisten. Das ist das Dreifache des jetzigen Aidsbudgets.

Aber Südafrika kann mit umfangreicher Unterstützung rechnen: Nicht nur die Stiftung des früheren US-Präsidenten Bill Clinton, auch die jetzige US-Regierung und die Vereinten Nationen stellen Geld bereit. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12. 8. 2003)