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Verlierer der Globalisierung: Mitglieder des Volks der Truka aus Pernambuco telefonieren in einem öffentlichen Gebäude

Foto: Reuters/Bittar
Göttingen/Wien - Weltweit werden indigene Völker immer mehr ins Abseits gedrängt, vielfach drohen ihre Kulturen und Kenntnisse unwiederbringlich verloren zu gehen. Darauf hat die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) anlässlich des "Internationalen Tages der indigenen Völker" (9. August) hingewiesen. Besonders kleinere Gruppen, die ihre Lebens- und Wirtschaftsweise an ökologisch sensible Gebiete angepasst haben wie die Seenomaden in Südostasien, die Pygmäen in den letzten großen Wäldern Afrikas oder die von der Ölförderung bedrohten indianischen Völker in Ecuador könnten in wenigen Jahren verschwunden sein, heißt es in einer GfbV-Aussendung.

"Die indigenen Völker sind die großen Verlierer der Globalisierung", erklärte die Menschenrechtsorganisation. Sie vor dem rücksichtslosen Abbau von Bodenschätzen durch internationale Konzerne (besonders problematisch z.B. Uranminen für die Atomindustrie), dem Kahlschlag ihrer Regenwälder durch Holzfirmen und dem Aufstauen von Flüssen für die Stromerzeugung durch weltweit agierende Energieunternehmen zu schützen, sei zwar Ziel der Vereinten Nationen gewesen, als sie 1994 das Jahrzehnt der Indigenen Völker ausriefen. Doch bisher sei dem Landraub, der Umweltzerstörung und damit der Vernichtung der Lebensgrundlage indigener Völker kaum ein Riegel vorgeschoben worden.

Überrollt

"Vom so genannten Fortschritt überrollt sind schon heute viele Indigene entwurzelt und rutschen ins Elend ab", erklärte die GfbV. Von dieser Entwicklung seien kleinere Völker wie etwa die Indigenen Sibiriens, aber auch große Gemeinschaften betroffen: So seien zum Beispiel die rund 1,3 Millionen Mapuche-Indianer in Chile, die etwa zehn Prozent der Gesamtbevölkerung stellen, die Ärmsten der Armen im Land. Vor allem diejenigen, die um ihre Rechte streiten, ihren Landbesitz mit juristischen Mitteln verteidigen oder Missstände öffentlich anklagen, gingen ein hohes Risiko ein, Opfer der Willkür von Polizei und Behörden zu werden. Zurzeit seien mehr als 100 Mapuche zum Teil schon seit Monaten ohne Gerichtsverfahren inhaftiert.

Zwar sei für die Mapuche nach dem Sturz des Diktators Augusto Pinochet 1990 ein Gesetz zum Schutz ihrer Rechte und der Förderung ihrer Kultur erlassen worden. Doch nichts habe sich verbessert. Deshalb unterstütze die GfbV jetzt einen hoffnungsvollen Ansatz führender Persönlichkeiten der Indianer: Sie erwarten rund 300 Delegierte zu dem ersten Mapuche-Kongress in Chile im Oktober. Ihr Ziel ist es, eine neue Interessenvertretung zu wählen, deren Stimme bei der Regierung Gewicht hat. Für diesen Kongress hat die GfbV die Schirmherrschaft übernommen.

Annan zollt Respekt

Die noch verbliebenen Urbevölkerungen der Welt sind nach Worten von UNO-Generalsekretär Kofi Annan "Prunkstücke der Menschheit, die uns viel lehren können". In einer am Freitag veröffentlichten Grußbotschaft zum Welttag der Urbevölkerungen würdigte Annan das Dasein, die Vielfalt und die Errungenschaften dieser Menschen. Die Vereinten Nationen rufen sonst jeweils am 9. August zum Gedenken an diese Völker auf, in diesem Jahr aber einen Tag früher.

"Wir zollen all jenen unseren Respekt, die sich zwischen den Traditionen ihrer Vorfahren und dem Rest der sich schnell verändernden Welt hin- und herbewegen können, ohne ihre Identität aufzugeben", sagte Annan am Freitag in New York. In einem Rückblick erinnerte der UNO-Chef daran, dass die Urvölker erst vor 21 Jahren, am 9. August 1982, eine Arbeitsgruppe unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen gegründet hatten.

Seitdem sei viel erreicht worden. 1993 wurde zum Jahr der Urbevölkerungen erklärt, und 1995 begann das ihnen gewidmete Jahrzehnt. Außerdem entwerfe die UNO-Menschenrechtskommission zurzeit eine Erklärung zu den Rechten der Urvölker. Das sei enorm wichtig, denn diese Menschen müssten weiterhin "die Bedrohung ihres Lebens und Glaubens, ihrer Kulturen, Sprachen und Lebensweisen hinnehmen".

Zahlen

Rund 5.000 indigene Völker mit insgesamt etwa 300 Millionen Angehörigen gibt es laut Schätzungen der GfbV noch weltweit. Zu ihnen zählen die etwa 70 Millionen Adivasi in Indien, die Saami im Norden Europas, die Indianer in Nord-, Mittel- und Südamerika, die Aborigines in Australien, die San im südlichen Afrika und viele andere. (APA)