Zwei Monate nach der Wahl, nach der Budget- bzw. Steuerreformlüge und jüngst nach dem vom geheimen ÖVP-Chef Erwin Pröll diktierten Deal zur Lehrerverländerung besteht kein Zweifel mehr: Die Fortsetzung der "großen Koalition" kommt demokratiepolitisch einer gefährlichen Drohung gleich. Das Land braucht eine Alternative. Die Wähler wollten das ohnehin. Sie gaben SPÖ und ÖVP (zusammen!) 50,7 Prozent Stimmenanteil. Und sie sorgten erstmals für ein Sechs-Parteien-Parlament.

Die FPÖ nahm sich mit ihrem harten Anti-EU- und Raus-aus-dem-Euro-Kurs als Regierungspartner aus dem Spiel. Selber schuld. Bleibt nur die Minderheitsregierung. Strache kann man rechts liegen lassen, sowohl in der Variante Rot-Grün-plus wie auch Schwarz-Grün-plus. Für die Demokratie wäre es herrlich, die Regierung könnte nicht mehr patzig drüberfahren, müsste sich Mehrheiten suchen. Das Parlament (die Arbeit der Opposition) würde aufgewertet - mit Debattenkultur, für Bürger und Medien ein Vorteil.

In anderen EU-Staaten gibt's das längst: Schweden, Dänemark, Norwegen lassen grüßen, Länder mit Höchststandards. Seit Jahrzehnten wird dort oft und erfolgreich minderheitsregiert. Österreich muss nach dem Vertrauensverlust von Faymann-SPÖ und Spindelegger-ÖVP komplett umdenken. Eine gehört in Opposition. "Groß" ist bei Rot-Schwarz längst nichts mehr. Sie sind scheinstabil, ideenlos, "abgesandelt", um mit Christoph Leitl zu sprechen. (Thomas Mayer, DER STANDARD, 25.11.2013)