Wien - In Österreich sterben mehr Menschen an den Folgen einer Herz-Kreislauf-Erkrankung als an jeder anderen Erkrankung. Besonders Frauen mit Migrationshintergrund sind sich des Risikos, an einer kardiovaskulären Erkrankung zu erkranken, nicht bewusst.

In einer Studie der MedUni Wien wurde gezeigt, dass aus der Türkei eingewanderte Frauen in der zweiten Generation im Durchschnitt bereits mit 38 Jahren und Männer mit gleichem Migrationshintergrund bereits mit 40 Jahren wegen Übergewicht und Rauchen ein erhöhtes Risiko besitzen. Bei der einheimischen Bevölkerung sind Frauen mit 43 Jahren und Männer mit 56 Jahren betroffen. 

Sprachliche und familiäre Barriere

"Die insgesamt 573 befragten Frauen und 336 Männer mit Migrationshintergrund konnten ihr persönliches Risiko nicht einschätzen und wissen darüber nicht Bescheid," sagt Jeanette Strametz-Juranek von der Universitätsklinik für Innere Medizin II der MedUni Wien. Jeweils mehr als 50 Prozent in beiden Geschlechtergruppen unterschätzten ihr Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen deutlich. Die Wissenschaftler identifizierten zwei entscheidende Barrieren: zum einen eine sprachliche, zum anderen eine familiäre – und das vor allem bei den Frauen, die zum überwiegenden Teil den türkischsprachigen Fragebogen ausfüllten, während die Männer zum Großteil zum deutschsprachigen griffen.

Dabei sind Frauen in Sachen Gesundheit innerfamiliär tonangebend: Seit 1996 gibt es beispielsweise in den USA ein erfolgreiches, kardiologisches Gesundheitsprogramm für Frauen (Go Red for Women). "Es hat sich gezeigt, dass sich binnen 15 Jahren die Herzgesundheit bei den in den USA geborenen Frauen und auch in deren Familien deutlich verbessert hat. Aber man hat auch gesehen, dass sich dieser Effekt bei den spanischstämmigen und schwarzen Frauen nicht eingestellt hat," sagt Strametz-Juranek.

Integration als Gesundheitsförderung

Ein Herzgesundheitsfolder in Türkisch, Englisch, Ungarisch und Serbokroatisch soll nun helfen die Barrieren für Migrantinnen zu verringern. Seit April 2011 ist die Medizinische Universität Wien auch am EU-Projekt "Restore" beteiligt, das sich mit der medizinischen Betreuung von MigrantInnen in der medizinischen Grundversorgung befasst. Leiter des Projekts in Österreich ist Wolfgang Spiegel von der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie: "Um herauszufinden, wo den Patienten der Schuh drückt, interessieren uns auch die Aspekte, die mit der Krankheitswahrnehmung zusammenhängen." Nämlich auch, was Ängste, Hoffnungen oder die sozialen und familiären Folgen des Krankseins betrifft. "Solange sprachliche und kulturelle Barrieren bestehen, ist eine vertrauensvolle Arzt-Patient-Beziehung schwer zu etablieren." Das Projekt läuft noch bis 31. März 2015. (red, derStandard.at, 25.11.2013)