Die Tsisdarakis-Moschee, jetzt Museum, im Athener Stadtviertel Monastiraki.

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Modell der geplanten Moschee.

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Während derzeit die Fetzen fliegen zwischen Athen und Ankara wegen der Hagia Sophia in Istanbul, die wahlkampfbedingt wieder zur Moschee werden soll, hat die griechische Regierung dieser Tage in einem Akt politischer Bravour Bauträger für die Errichtung der ersten offiziellen Moschee seit – grosso modo – der Revolution von 1821 ausfindig gemacht. Den Zuschlag erhielten die J&P Avax-Gruppe, die Terna-Gruppe, Aktor und Intrakat, gewissermaßen die vier Musketiere des griechischen Bauwesens, die ihr Brot eher mit Großprojekten im Golf und in anderen Geld-wie-Heu-Gegenden des Planeten verdienen.

Jetzt also vereint Moschee bauen, keine allzu große, und ein Minarett hat sie laut Bauplan auch nicht: 400 Gläubige soll das Gebetshaus in Votanikos, westlich vom Athener Zentrum, auf einem ehemals von der Marine genutzten Gelände beherbergen können. Ein Scherz, sagen Muslimvertreter und Linkspolitiker in der griechischen Hauptstadt. Im Großraum Athen leben schätzungsweise 200.000 Muslime, überwiegend Einwanderer aus Pakistan, Bangladesch und Afrika.

Ganze fünf Ausschreibungen des Infrastrukturministeriums waren für die Moschee nötig, weil sich bei den ersten Runden im Juli und September dieses Jahres keine brauchbaren Unternehmen fanden. Das Risiko war schlicht zu groß, erklärt ein Marktbeobachter: „Was macht eine Firma, die mit dem Moscheebau beginnt und dann wegen öffentlicher Proteste und Demonstrationen abbrechen muss? Kriegt sie ihr Geld vom Staat zurück? Verliert sie Kunden? Die Lage hier ist schwierig genug.“

Große Baukonzerne, so die Überlegung der Regierung, können die Proteste wegstecken. In einem halben Jahr soll das Gebäude stehen – keine große Angelegenheit. Widerstand gibt es mit Sicherheit. Die Faschisten der Partei Goldene Morgenröte kündigen Massenproteste an, der Bischof von Piräeus, Seraphim, war ohnehin schon immer dagegen und hatte es auch mit einer Klage vor dem Verfassungsgericht versucht; Christos Zois, ein rechtsnationalistischer Abgeordneter, der eine eigene Partei aufgemacht hat – die Nea Mera (Neuer Tag) –, hält eine Moschee nahe dem „heiligen Felsen der Akropolis“ und Platons Olivenbaum für eine unglaubliche Provokation.

Knapp eine Million Euro soll die offizielle Moschee kosten. Wie die Regierung diese Ausgaben ihren orthodoxen Bürgern in Zeiten des Spardiktats der Troika erklären will, ist in der Tat schwer zu sehen. Vielleicht findet sich ja irgendein Fördertopf der EU... Aber der Plan ist nicht ganz so neu. Im Jahr 2000 hatte die damalige Regierung das Moschee-Projekt erstmals angekündigt, es sollte Teil des Umbaus von Athen für die Olympischen Sommerspiele sein und das Land als weltoffen und modern zeigen. Jetzt wird sie mitten in der schlimmsten Krise seit Kriegsende gebaut.

Natürlich hat der türkische Regierungschef Tayyip Erdogan, ein Moscheenerbauer von weltgeschichtlichen Dimensionen, seinem griechischen Amtskollegen großzügig angeboten, auch in Athen wieder ein ordentliches Gebetshaus hinzustellen, gratis, schlüsselfertig und komplett mit Imam. Man war ja quasi schon einmal da. Angesichts der griechischen Empfindsamkeiten war dies selbstverständlich ein non-starter, ungefähr so wie – jetzt aber vorsichtig sein – Amish-Farmern ein Kasino mit Nachtklub auf die Wiese zu setzen; oder in der Tribal-Area in Pakistan eine blitzsaubere Missionsstelle der Adventisten mit ihren jungen Men in Black aufzusperren.

Athen, so heißt es, sei eine der wenigen europäischen Hauptstädte, in der es außer diversen Keller-, Vereins- und anderen Behelfs-Betstätten keine offizielle Moschee gebe. Wir gehen kurz die Liste durch: Der Vatikan hat naturgemäß keine, in Andorra sieht es auch mau aus, Vaduz bleibt ebenfalls ein Problem. Andererseits: In Monastiraki, wo Touristen auf dem Weg zur oder von der Akropolis herumstolpern, stünde noch eine Moschee, eine kleine. 1759 hat sie der damalige Woiwode, der Stadtherr der Türken, bauen und dabei auch eine Säule des Zeus-Tempels verarbeiten lassen. Gut gemeint, aber Baugenehmigung hat damals gefehlt, deshalb Bestrafung durch die nächsthöhere Dienststelle, den Pascha von Negroponte. Tsisdarakis-Moschee heißt sie heute noch – eine „Vergriechischung“ von Disdar Aga, dem Militärkommandeur im osmanischen Athen – und ist ein Museum für griechische Handwerkskunst. Öffnungszeiten 9 Uhr bis 14.30, Dienstags geschlossen. (Markus Bernath, derStandard.at, 25.11.2013)