Hätten die Mullahs den Genuss geistiger Getränke nicht schon lange unter Strafe gestellt, wären am Sonntag in Teheran wohl ein paar Sektflaschen geköpft worden. Der Oberste Geistliche Führer, Ali Khamenei, der Israel als herauszuschneidendes "Krebsgeschwür" oder "illegitimes Bastard-Regime" ins Visier nimmt und den Holocaust bis zum heutigen Tag als "Mythos" bezeichnet, zeigte sich vollauf zufrieden mit dem Atomabkommen. Völlig zu Recht: Die Vereinbarung akzeptiert den Schwerwasserreaktor in Arak, von dem selbst die iranischen Märchenerzähler nicht sagen können, was seine Rolle in einem "zivilen Atomprogramm" sein soll, und gestattet die Fortsetzung der Urananreicherung. Die Infrastruktur des Nuklearprogramms bleibt vollständig intakt. Keine einzige der 20.000 Zentrifugen im Iran wird verschrottet.
Das Abkommen ist ein klarer Verstoß gegen die Beschlüsse des UN-Sicherheitsrates, die unmissverständlich eine Einstellung der Urananreicherung fordern. Das iranische Regime hat diese Beschlüsse tagtäglich ignoriert. Dafür wird es nun auch noch damit belohnt, dass sich die ständigen Sicherheitsratsmitglieder und Deutschland der Missachtung dieser Beschlüsse anschließen und die Urananreicherung im Iran erstmals de facto akzeptieren. Der Triumph für die Ayatollahs hätte kaum größer ausfallen können.
Lügen und täuschen
Dass es nun überhaupt Interesse seitens des iranischen Regimes für ein Abkommen gab, ist jenen Sanktionen geschuldet, gegen die sich die österreichische Bundesregierung jahrelang gesträubt hat. Umso absurder ist es, jetzt Sanktionen zurückzunehmen und das Regime für seine jahrelange Taktik des Lügens, Täuschens und Zeitschindens mit Milliarden zu belohnen. Es ist nach diesem Abkommen unwahrscheinlich, dass der Sanktionsdruck noch einmal erhöht werden kann, worüber die Freude hierzulande jetzt schon zu vernehmen ist: Unternehmen wie die OMV, die bereits während der Amtszeit Ahmadi-Nejads einen 22-Milliarden-Euro-Deal mit Teheran abschließen wollte, scharren schon in den Startlöchern. Im Dezember soll eine österreichische Wirtschaftsdelegation in den Iran reisen.
Beängstigend ist, mit welcher Kaltschnäuzigkeit über die Bedenken seitens Israels hinweggegangen wurde. Für den jüdischen Staat stellt die nukleare Aufrüstung des iranischen Regimes eine existenzielle Bedrohung dar. Aber auch von der Tatsache, dass wichtige arabische Länder fast gleichlautende Einwände formuliert haben, ließ man sich weder in den USA noch in Europa aus dem Konzept bringen. Der gefährliche Deal von Genf bedeutet für Israel, dass es noch mehr als bisher genötigt wird, sich Gedanken über ein eigenständiges Vorgehen gegen die Nuklear- und Raketenrüstung des Antisemitenregimes im Iran machen zu müssen. (Stephan Grigat, DER STANDARD, 26.11.2013)