So deutlich waren die Spitzen der Union in ihrer Kritik an Präsident Wladimir Putin selten: Man lehne "die Positionen und die Haltungen Russlands in diesem Zusammenhang strikt ab", erklärten Kommissionspräsident José Manuel Barroso und der Ständige Präsident des Rates der Regierungschefs, Herman Van Rompuy, am Montag zum Scheitern des geplanten Handels- und Assoziierungsabkommens mit der Ukraine. Um dem besonderes Gewicht zu verleihen, gaben sie die Erklärung gemeinsam ab, schriftlich.
Sie unterstreichen, dass das EU-Angebot noch immer auf dem Tisch liege, das in seiner Tiefe "ehrgeizigste", das die Union jemals abgegeben habe, so Barroso und Van Rompuy. Und: In Brüssel sei man sich des äußeren Drucks auf die Ukraine bewusst, werde diese aber nicht zwingen, zwischen der Union und - so wörtlich - einer "anderen regionalen Einheit" zu wählen. Das dürfte in Putins Ohren wie eine schwere Beleidigung nachhallen. Der harsche Ton fügt sich ins Bild der seit Jahren unterkühlten Beziehungen. Die Ukraine - ein riesiges Land mit wirtschaftlichem Potenzial in geostrategisch heikler Lage zwischen EU, Russland, der Türkei und der Kaukasusregion - muss als Spielball herhalten.
Gasstreit als Vorspiel
Die Union betrachtet die wirtschaftliche Öffnung als Chance für alle Beteiligten. Im Kern geht es auch um ein "Tauschgeschäft" der Werte: mehr Wohlstand durch Freihandel, im Gegenzug Erhöhung rechtsstaatlicher Normen in der Ukraine. Der auf Stärke und Härte setzende Putin begreift das offenbar als Bedrohung.
Seit die Orange Revolution 2004 die Machtübernahme in Kiew gebracht hatte, vergingen einige Winter, in denen die Gaslieferungen aus Moskau in die Ukraine gedrosselt wurden. Putin wollte im Gasstreit die Europäer treffen, von denen er sich auf der globalen Bühne zu wenig beachtet sah. Geprügelt wurde die Ukraine.
Dem ukrainischen Wunsch nach einer "Beitrittsperspektive" wurde von der EU nicht entsprochen. Die Verhandlungen um Assoziation wurden - zäh, aber doch - auch nach dem Sturz von Revolutionspremierministerin Julia Timoschenko mit ihrem exkommunistischen Nachfolger und Gegenspieler Wiktor Janukowitsch fortgesetzt und nun abgeschlossen.
Dass man kurz vor dem Ziel doch noch scheitern würde, das wollte in Brüssel niemand mehr glauben. Man wähnte die Bedingung für eine Vertragsunterzeichnung beim EU-Ost-Gipfel Ende der Woche in Vilnius, wonach Timoschenko aus der Haft zur medizinischen Behandlung nach Deutschland reisen darf, bereits im Trockenen. Nun soll die deutsche Kanzlerin Angela Merkel in einem direkten Kontakt mit Putin retten, was noch zu retten ist. (Thomas Mayer aus Brüssel, DER STANDARD, 26.11.2013)