Der scheidenden rot-schwarzen Regierung wird nachgesagt, keine großen Projekte gewagt zu haben - aber die Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist jedenfalls ein solches: Ab 1. Jänner werden alle Verwaltungsverfahren, ob Baubewilligung, Verkehrsstrafe oder Asylbescheid, gänzlich neu gehandhabt.

Konkret geht es um die Frage, wo sich Betroffene beschweren können, wenn sie mit der Entscheidung einer Behörde unzufrieden sind. Derzeit ist das je nach Materie anders geregelt: Wird die Baubewilligung verweigert, geht man zum Gemeinderat, fühlt man sich von einem Polizisten unangemessen behandelt, geht man zum Unabhängigen Verwaltungssenat, und abgelehnte Bauanträge können bei der Bauoberbehörde bekämpft werden. In manchen Fällen gibt es drei Instanzen, in anderen vier, in bestimmten Fällen ist jene Behörde, die den Bescheid verfasst hat, auch dafür zuständig, die Beschwerde zu prüfen.

Verwaltung verliert Macht

Dieser Instanzenwirrwarr wird nun aufgedröselt: Künftig sind bei fast allen Beschwerden die neu geschaffenen Verwaltungsgerichte zuständig und nicht mehr die übergeordneten Behörden. Anders gesagt: Die Verwaltung hat an Macht verloren. Nur die Gemeinden haben für sich eine Ausnahme ausverhandelt. Die Reform hat auch für die Betroffenen spürbare Folgen. Ein Beispiel: Eine Arbeitslose erhält von der AMS-Regionalgeschäftsstelle die Nachricht, dass ihr das Arbeitslosengeld gestrichen wird, weil der Zuverdienst zu hoch ist. Erhebt die Betroffene Einspruch, dann entscheidet derzeit die Landesgeschäftsstelle des AMS über die Beschwerde.

Ab 1. Jänner ist es ein Gericht, und zwar das Bundesverwaltungsgericht erster Instanz, das prüfen muss, ob die Entscheidung der Regionalstelle rechtmäßig war. Es sind also nicht mehr weisungsgebundene Angestellte, sondern unversetzbare und unkündbare Richter, die entscheiden - wenngleich die politische Nähe mancher neu bestellter Verwaltungsrichter im Vorfeld bei manchen für Kritik gesorgt hatte (der Standard berichtete).

Die für Betroffene wohl am stärksten spürbare Änderung ist, dass man künftig vier Wochen Zeit hat, um einen Bescheid zu beeinspruchen - bisher waren es zwei Wochen. Zudem empfiehlt es sich, die Beschwerde nicht nur rechtlich sauber zu begründen, sondern auch möglichst vielfältige Gründe anzuführen, warum man den Bescheid bekämpft: Die Verwaltungsgerichte erster Instanz prüfen nur noch jene Kritikpunkte, die der Beschwerdeführer selbst angeführt hat. Bisher konnte die Berufungsinstanz einen Bescheid auch aus Gründen aufheben, die in der Berufung gar nicht genannt worden sind. Kritisiert wird, dass die Verwaltungsrichter dabei de facto an die Sachverständigen der bekämpften Behörde gebunden sind - und nicht etwa eigene Gutachter bestellen können.

VwGH wird entlastet

Entscheidungen der Verwaltungsgerichte können beim Verwaltungsgerichtshof (VwGH) bekämpft werden, allerdings in stark eingeschränkter Form: Bei Verwaltungsstrafen unter 400 Euro ist der Weg zum VwGH versperrt. Bei allen anderen Fällen hängt es davon ab, ob das Verwaltungsgericht erster Instanz eine Revision zulässt oder nicht. Stellt beispielsweise das Landesverwaltungsgericht fest, dass es zur vorliegenden Materie noch kaum Rechtssprechung des VwGH gibt, dann ist ein Rechtsmittel zulässig. Wird eine Revision ausgeschlossen, kann dies mit der sogenannten außerordentlichen Revision bekämpft werden, allerdings mit eher geringer Erfolgsaussicht.

Fest steht, dass der VwGH dadurch von Routinefällen befreit wird, entlastet wird er damit aber nur bedingt: Ab 1. Jänner ist der VwGH auch wieder für Asylsachen zuständig. Da es in Asylverfahren für die Betroffenen um existenzielle Fragen geht, ist damit zu rechnen, dass viele Betroffene die Möglichkeit einer außerordentlichen Revision in Anspruch nehmen werden. Wie stark belastet die neuen Verwaltungsrichter sein werden, wird sich weisen: Nach Einlangen der Beschwerde hat die Behörde zwei Monate Zeit, um den Bescheid nachzubessern - und damit einer Aufhebung zuvorzukommen oder den Bescheid zu reparieren. Experten rechnen damit, dass dies künftig öfter passieren wird als jetzt. (Maria Sterkl, DER STANDARD, 27.11.2013)