"Mein bisheriges Leben gibt es nicht mehr. Alle meine Perspektiven sind vernichtet worden durch die Rufzerstörung", beschreibt Monika Rathgeber ihre derzeitige Situation.

Foto: Hannes Huber

Ein Jahr nach Aufkommen des Salzburger Finanzskandals wendet sich die beschuldigte Referatsleiterin Monika Rathgeber mit ihren Memoiren an die Öffentlichkeit. Auf 260 Seiten will Rathgeber keine "Abrechnung" liefern, vielmehr sei es ihr um Selbsthilfe gegangen, sagt Rathgeber im Gespräch mit derStandard.at.

derStandard.at: Warum jetzt ein Buch ein Jahr nach dem Finanzskandal?

Monika Rathgeber: Ich wollte eigentlich gar kein Buch schreiben. Mir hat es immer geholfen, wenn ich mich mit Freunden oder Bekannten über das Geschehene und Erlebte unterhalten habe. Im Frühjahr habe ich dann begonnen die Erlebnisse niederzuschreiben. Eigentlich habe ich nur für mich geschrieben. Ich wollte eine Art Tagebuch haben, um in Erinnerung zu behalten, was passiert ist in den Monaten zuvor. Freunde und Bekannte, die es gelesen haben, haben mir gesagt, ich soll es öffentlich zugänglich machen. Dann habe ich mich dazu durchgerungen, dieses Buch zu veröffentlichen.

derStandard.at: Als was sehen Sie das Buch: Soll es ein Rundumschlag sein, eine Abrechnung, Verteidigungsschrift oder Opferbiografie?

Rathgeber: In dem Buch werden verschiedene Szenarien geschildert: Wie war der Arbeitsalltag, bevor die Situation eskaliert ist, welche Aufgaben und Verantwortlichkeiten hatte ich, wie waren die Zusammenarbeit und das Betriebsklima – also viele allgemeine Dinge. Aber auch Punkte, die dann kritisiert wurden, etwa dass wenig Leute über die Tätigkeiten informiert waren. Es ist für mich keineswegs eine Form der Abrechnung, sondern ich will einfach erzählen, was passiert ist. Auch andere Menschen sollten wissen, wie die Abläufe am Amt waren und was Mitarbeitern passiert, die kritisieren und sich verweigern, und wie die Mechanismen des Systems und des Machtapparates dann funktionieren und greifen.

derStandard.at: Soll es also auch eine Warnung sein an andere Menschen, die sich auflehnen?

Rathgeber: Ja. Damit sie nicht dieselben Fehler machen, die ich gemacht habe – nämlich immer alles als selbstverständlich zu betrachten, ohne sich schriftlich zu vergewissern, dass tatsächlich alles passt, was man macht. Mein Buch kann durchaus auch als Hilfe genommen werden. Damit nicht auch anderen Personen passiert, für was ich verantwortlich gemacht wurde. Denn das, was mir passiert ist, kann auch anderen Menschen passieren.

derStandard.at: Sie sprechen im Buch von einer öffentlichen Hinrichtung und dass Sie geopfert worden sind. Wie ging es Ihnen in der Zeit der Aufarbeitung des Skandals?

Rathgeber: Die erste Zeit war für mich unbeschreiblich. Ich kann das jetzt noch kaum in Worte fassen. Ich konnte mich nicht mal mehr bewegen, war wie gelähmt, lag tagelang im Bett und konnte nicht mehr aufstehen. Ich wollte auch gar nicht mehr aufstehen. Ich hatte einen furchtbaren Schock, weil ich es gar nicht fassen konnte, was hier für Vorwürfe auf mich zugekommen sind. Ich habe nicht geglaubt, dass ich mit der Last alleine fertig werden kann. Deshalb bin ich meiner Familie und Freunden so dankbar. So konnte ich eine gewisse Last teilen und es schaffen, dass es mir wieder besser geht.

Monika Rathgeber sieht ihr Buch auch als Warnung und Hilfestellung für andere Menschen, die sich auflehnen. "Was mir passiert ist, kann auch anderen Menschen passieren."
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derStandard.at: Sie schreiben in dem Buch: "Sie hatten mir jene Verluste untergeschoben, die sie selbst verursacht hatten – vor denen ich sie noch gewarnt hatte." Wer hat die Verluste verursacht?

Rathgeber: In meinem Buch schildere ich die Abläufe genau. Sie können nachlesen, welche Weisungen welche Konsequenzen hatten. Es geht nicht um Personen. Sondern darum, dass man sieht, was passiert, wenn die Politik sich aus der Verantwortung zurückzieht und sagt, sie sei für nichts verantwortlich. Dass das sofortige Auflösen von Geschäften auch zu Verlusten führt. Vor dem habe ich auch schon vorher gewarnt. Ich habe es aber leider nicht verhindern können in der Realität.

derStandard.at: Hätte es diese Auflösungen von Geschäften nicht gegeben, wäre es zu keinen Verlusten gekommen?

Rathgeber: Das kann man so auch nicht beantworten. Aber ohne Panik und mit mehr Zeit wäre vieles vermeidbar gewesen.

derStandard.at: Wer ist Ihrer Meinung nach für den Skandal verantwortlich? Ist es das System oder sind es einzelne Personen?

Rathgeber: Die Frage ist: Hätte es den Skandal überhaupt geben müssen?

derStandard.at: Das heißt, wäre man damit nicht an die Öffentlichkeit gegangen, hätte es keinen Skandal gegeben?

Rathgeber: Zum Beispiel. Es gibt auch andere Möglichkeiten, wie man das hätte bewältigen können. Diese Frage müssen Sie eigentlich anderen Personen stellen, weil ich nicht die Entscheidungsträgerin für die Abläufe, wie sie jetzt eingetreten sind, war.

derStandard.at: Rückblickend: Was würden Sie persönlich anders machen?

Rathgeber: Ich habe einige Fehler gemacht. Ich hätte mehr kommunizieren, mich mehr vergewissern müssen. Ich hätte vielleicht auch mehr hinterfragen müssen. Das auf jeden Fall. Aber ich denke, möglicherweise können mir dann Dritte beantworten, was ich hätte machen können, um den Schaden vom Land abzuwenden. Weil ich es nicht geschafft habe.

derStandard.at: Haben Sie auch Belege für die Behauptungen im Buch?

Rathgeber: Gott sei Dank habe ich welche. Und zwar auch in schriftlicher Form. Die sind auch im Buch angeführt, sonst wäre es eine reine Erzählung, das wäre etwas unzureichend. Ich bin froh, dass ich noch die Gelegenheit hatte, einige E-Mails und schriftliche Dokumente zu speichern, die ich auch der Staatsanwaltschaft übergeben habe.

derStandard.at: Was machen Sie nun seit Ihrer Entlassung?

Rathgeber: Relativ wenig. Mein bisheriges Leben gibt es nicht mehr. Alle meine Perspektiven sind vernichtet worden durch die Rufzerstörung. Aber dafür bewerte ich mein Leben nun anders. Vorher hatte ich nur gearbeitet. Jetzt lernt man auch andere Seiten des Lebens wertzuschätzen.

derStandard.at: Was haben Sie weiter vor? Was sind Ihre Pläne für die berufliche Zukunft?

Rathgeber: Das habe ich mir noch nicht überlegt. Das wird sich zeigen. Durch die persönlichen Erfahrungen und Enttäuschungen war es schwierig, mich zu orientieren, wie es weitergehen soll. Aber ich bin überzeugt davon, dass es eine Zukunft geben wird. (Stefanie Ruep, derStandard.at, 26.11.2013)