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Ein "Mädchen der Freude" protestiert gegen das geplante Prostitutionsgesetz in Frankreich. Der Entwurf wird schon länger heftig diskutiert.

Foto: Reuters/REGIS DUVIGNAU

Prostitution ist derzeit in einigen europäischen Ländern ein Thema, doch nirgends polarisiert es so stark wie in Frankreich. Da prallt das libertäre Paris auf den autoritären Staat; und die "lateinische" Seite des Landes, die einzelne Franzosen mit purem Machismus verwechseln, gerät in Konflikt mit der seit Simone de Beauvoir traditionell starken Frauenbewegung Frankreichs.

Auch jetzt sind es vor allem Französinnen, die die neueste Debatte um käuflichen Sex dominieren, während sich die Männerwelt eher im Hintergrund hält. Nach jahrelangen Vorarbeiten und Absichtserklärungen behandelt die Nationalversammlung ab Mittwoch den Vorstoß der sozialistischen Abgeordneten Maud Olivier. Einfach gesagt will sie die Sexarbeiterinnen strafrechtlich entlasten und dafür die Freier bestrafen. Wie in Schweden sollen Kunden des horizontalen Geschäfts Bußen zahlen - beim ersten Mal mit bis zu 1500 Euro, im Fall der Rückfälligkeit mit dem doppelten Betrag. Alternativ sollen sie in "Sensibilisierungskurse" geschickt werden.

Anders als in einem ersten Entwurf sind keine Haftstrafen mehr vorgesehen. "Das Ziel besteht nicht darin, Jagd auf die Kunden zu machen", meint Olivier. "Wir wollen die Nachfrage bekämpfen und dem Prostitutionssystem mit den Mafia- und Zuhälternetzen die Grundlage entziehen."

Umgekehrt soll der "passive" Kundenfang auf dem Trottoir wieder zugelassen werden. Zumindest auf dem Papier war er in Frankreich bisher verboten. Werden die "Belles de nuit" (Schönen der Nacht) damit wieder in die Rotlichtbezirke von Paris zurückkehren? Die ehemalige Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal ist deshalb gegen das Gesetzesprojekt. Frauenministerin Najat Vallaud-Belkacem hält es jedoch für falsch, die Prostituierten in die Hinterzimmer und Mietstudios der Rotlichtbezirke zurückzudrängen: "Dort sind sie dem Griff der Zuhälter unkontrollierter denn je ausgeliefert."

"Die Bestrafung der Kunden hat sich in Schweden als unwirksam erwiesen", betonte etwa eine Domina namens Gilda im Figaro. "Die Prostituierten arbeiten jetzt bloß im Versteckten." Ihre Kollegin Câline bestreitet, dass 90 Prozent der Frauen ihr Gewerbe unter Zwang ausübten, wie die Gegenseite meint.

Arithmetisch hat das Gesetz in der Nationalversammlung beste Chancen: Sozialisten und Grüne haben die Mehrheit und sind offiziell für das Vorhaben. Auch die bürgerliche "Union für eine Volksbewegung" (UMP) scheint ihm gewogen. Doch der außerparlamentarische Widerstand wächst. Eine von Prominenten wie Catherine Deneuve unterzeichnete Petition wendet sich gegen die Freierstrafen: Es gehe nicht darum, "die Prostitution gutzuheißen oder zu fördern", aber ein Gesetz mit härteren Strafen würde "die Personen, die dieses Metier ausüben, nur noch stärker in die Illegalität treiben". (Stefan Brändle aus Paris, DER STANDARD, 27.11.2013)