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Malierinnen studieren Wahllisten in einem Wahllokal in Bamako. Die Ergebnisse des ersten Durchgangs der Parlamentswahl werden erwartet, der zweite Durchgang ist im Dezember. Foto: EPA / Tanya Bindra

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Bamako/Paris - Malis Rückkehr zur Demokratie verläuft fast schon schulbuchmäßig. Im ersten Halbjahr vertrieben die französischen Truppen die Terrormilizen, die im Wüstennorden Malis eine Islamrepublik ausgerufen hatten. Im Sommer wurde Ibrahim Boubacar Keïta, genannt IBK, mit 77 Prozent der Stimmen zum neuen Staatschef gewählt. Am Sonntag fand der erste Durchgang der Parlamentswahlen statt, am 15. Dezember geht es für die bestplatzierten Kandidaten in die Stichwahl. Und wenn alles nach Plan läuft, dürfte Keïtas "Bewegung für Mali" (RPM) die Wahlen gewinnen.

Doch wichtiger für den malischen Alltag ist, dass die vertriebenen Al-Kaida-Kommandos in ihren Wüstenverstecken durchaus aktiv bleiben. Sie ermordeten jüngst zwei Pariser Journalisten in der gesetzlosen Wüstenstadt Kidal, verletzten sogar im "sicheren" Bamako einen französischen Polizisten und schossen während der Wahlkampagne Raketen auf Städte wie Gao.

Das ist aber nur ein Grund dafür, dass die 6,5 Millionen stimmberechtigten Malier am Sonntag nicht in Massen an die Urnen gingen. Von der Aufbruchstimmung der Präsidentenwahl im August ist nichts mehr zu spüren. Keine Partei, auch nicht das RPM des Präsidenten, zieht die Wähler wirklich an. IBK enttäuscht die Malier auf der ganzen Linie. Der vermeintlich starke Staatschef wollte die Islamisten, die Tuareg-Rebellen und dazu gleich auch noch die Ex-Kolonialmacht Frankreich an die Kandare nehmen, erweist sich aber als führungsschwacher Taktierer - außerdem mit einem Hang zu der Vetternwirtschaft, die die junge malische Demokratie untergräbt. So kandidiert auch der Sohn von IBK für einen der 147 Sitze in der malischen Nationalversammlung.

Noch bedenklicher ist, dass es IBK nicht geschafft hat, den Putschoffizier Amadou Sanogo vor ein Gericht zu stellen. Die Autorität des Präsidenten und der politischen Institutionen haben darunter stark gelitten. Umso mehr Einfluss erlangen dafür die malische Armee, der korrupte Staatsapparat sowie - in Mali ein Novum - der zunehmend konservative Islam. IBK musste mehrere Islamisten aus Kidal auf die Wahllisten seiner Partei nehmen. Die Malier verstehen nicht, warum ihr Präsident plötzlich mit früheren "Rebellen" (so nennt man die Jihadisten in Bamako, um die religiösen Sensibilitäten zu schonen) zusammenspannt.

Während des Kriegs war IBK noch wie die meisten Malier für ein schonungsloses Vorgehen gegen die Islamisten eingetreten. Um gewählt zu werden, setzte er aber unter anderem auf die Hilfe wahhabitischer Prediger in den Moscheen. Jetzt präsentieren sie die Rechnung in Form radikalislamischer Parlamentskandidaten.

Nicht nur für IBK, sondern für ganz Mali hat sich damit viel geändert. Der Sahelstaat war bisher für einen sehr toleranten Islam bekannt gewesen. Langsam wirkt aber die Untergrundarbeit der von Saudi-Arabien und Katar unterstützten Prediger, die für eine islamische Republik mit demokratischen Institutionen eintreten.

Auch die französische "Schutzmacht" ist gegen diese schleichende Islamisierung der malischen Politik machtlos. Die Generäle von Präsident François Hollande haben alle Hände voll zu tun, die Al-Kaida-Ableger in dem unwegsamen Gebirge entlang der Grenze zu Algerien in Schach zu halten.

Außerdem plant der französische Generalstab derzeit einen weiteren Militärschlag in der Zentralafrikanischen Republik, die nach einem Putsch islamischer Séléka-Milizen im März in die Anarchie versinkt.

Einsatz in Zentralafrika

Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian kündigte erst am Dienstag an, 1000 Soldaten zu entsenden, um Chaos und Gewalt einzudämmen. Es werde eine Mission von etwa sechs Monaten.

Das Ziel Frankreichs und der Uno-Blauhelme, Westafrika von dem radikalislamischen Einfluss zu verschonen, rückt damit in weite Ferne. (Stefan Brändle, DER STANDARD, 27.11.2013)