Vor einigen Monaten durchbrach ein Autolenker aus Wut über die Entfernung und Verbringung seines außerhalb der EU zugelassenen Autos auf einem Wiener Sammelplatz den dortigen Schranken und fuhr, ohne die angefallene Gebühr von rund 300 Euro gezahlt zu haben, mit quietschenden Reifen davon. Durch das laute Krachen des zerberstenden Schranken aufgeschreckt, notierten Zeugen die Kennzeichendaten. Die spontane Vorsatztat brachte dem Lenker eine Anklage wegen Sachbeschädigung ein, die Abschleppkosten musste er überdies berappen.

Der Mann war schlecht beraten, da nichtösterreichische Fahrzeuglenker nur in seltenen Ausnahmefällen eine Abschleppgebühr oder eine Strafe tatsächlich zahlen müssen. Denn die österreichische Rechtslage verpflichtet die Behörde, ein Kfz auch dann auszufolgen, wenn die Gebühr nicht sofort gezahlt wird. Diesfalls ist lediglich ein Bescheid auszustellen und die Einzahlung im Nachhinein zu verlangen, die dann natürlich nie eintrifft. Vollstreckbar ist der Bescheid de facto nur gegen österreichische Zulassungsinhaber oder Lenker.

Exekution außerhalb der Grenzen ist mühsam, teuer und stößt auf zahlreiche rechtliche Hindernisse, vor allem aber auf eines: Kosten für die Entfernung sind, rechtstechnisch betrachtet, keine Strafe, wenn auch die Abschleppung nur bei rechtswidrigem Abstellen zulässig ist. Daher kommt auch keine Einhebung einer vorläufigen Sicherheitsleistung nach dem Verwaltungsstrafgesetz in Betracht. Und den Kostenbescheid kann der Missetäter getrost dem Papierkorb anvertrauen wie auch das ihm von der Verwaltungsstrafbehörde zugestellte Straferkenntnis. Ersparnis für den Täter: meist über 500 Euro. Kosten aufseiten der Gemeinde oder des Staates: mindestens 200 Euro für Verbringung und Abstellen, zu zahlen vom Steuerzahler.

Unlängst wurde, wie berichtet, die Vollstreckung bestimmter Verkehrsstrafen, etwa Geschwindigkeitsübertretungen auf Autobahnen, europaweit vereinfacht. Die Richtlinie 2011/82 EU trat am 7. November in Kraft; ihr Gegenstand ist der gegenseitige Zugriff auf Zulassungsdaten von Lenkern, die bestimmte Verkehrsdelikte begangen haben.

Es fehlt die Software

Wer glaubt, dass es nun mit dem gegenseitigen Datentransfer sofort losgehen würde, irrt, denn die EU-Mitglieder haben keine einheitliche Software für die Speicherung von Zulassungsdaten; aber etwa ab Mitte 2014 könnte diese Deliktsgruppe dann leichter verfolgt und die Strafe auch im EU-Ausland vollstreckt werden. Für die Stadt Wien und andere Gemeinden ändert diese Richtlinie aber nichts zum Besseren. Zum einen gilt sie nur für die 27 EU-Mitgliedstaaten, zum anderen bleibt der ruhende Verkehr außen vor, und schließlich gilt sie nur für Strafen bei den genannten Delikten. Parken in Behinderten-, Fußgängerzonen oder in zweiter Spur bleibt daher für ausländische Lenker weiterhin gratis.

Angesichts von Millionenschäden versucht die Gemeinde Wien seit mehr als einem Jahr, über das Verkehrsministerium einen Vorschlag für eine Änderung der Straßenverkehrsordnung (StVO) an das Parlament heranzutragen. Sie will künftig auch die Kosten für die Entfernung jener rechtswidrig abgestellten Kfz einbringlich machen, die von Nicht-EU-Bürgern und vor allem von jenen Lenkern bzw. Zulassungsbesitzern verursacht werden, die eine Staatsangehörigkeit eines Staates außerhalb eines Vollstreckungsabkommens mit Österreich innehaben. Da aber auch die Kosten eines formalisierten, grenzüberschreitenden Vollstreckungsverfahrens meist über jenen der Abschleppung liegen, haben alle Lenker ohne "A" im Kennzeichen bei uns einen Parkfreibrief.

Kaution beim Abschleppen

Der bereits ausformulierte Entwurf für eine Änderung des § 89a StVO sieht vor, Sicherheitsleistungen (Kautionen) nach Muster des Verwaltungsstrafverfahrens künftig auch für Abschleppkosten einzubehalten, zumindest in Fällen, in denen die Einbringlichkeit gefährdet erscheint. Denn dann kann die Behörde getrost den Ausgang des Verwaltungsverfahrens abwarten, das in den meisten Fällen wegen Aussichtslosigkeit gar nicht stattfinden wird.

Die Änderung ist rechtspolitisch sinnvoll und entspricht auch den Grundrechten; sie stellt keine Diskriminierung nichtösterreichischer Kfz-Lenker dar, weil sie den Inländern faktisch gleichgestellt werden, von denen genauso eine Sicherheitsleistung verlangt werden könnte. Aus verfassungsrechtlicher Sicht liegt auch kein unverhältnismäßiger Eigentumseingriff vor, wenn die Einbringlichkeit von Entfernungskosten gesichert wird, da Betroffenen, die sich zu Unrecht beschuldigt fühlen, die StVO einen hinreichenden Rechtsschutz bietet. (Gerhard Strejcek, DER STANDARD, 27.11.2013)