Grafik: STANDARD

Eine ganz besondere E-Mail ging Dienstagnachmittag an Werner Faymann und Michael Spindelegger: Enthalten ist ein offener Brief der Wittgenstein-Preisträger, in dem die hierzulande höchstdekorierten Wissenschafter und Wissenschafterinnen von Kanzler und Vizekanzler "eine Verdoppelung bis Verdreifachung" jenes Budgets verlangen, das der Wissenschaftsfonds FWF im Wettbewerb an Grundlagenforscher vergibt. Die Zahl der qualitativ hochwertigen Anträge an den FWF sei in den vergangenen Jahren so stark gestiegen (siehe Grafik links), dass man mit dem derzeit stagnierenden Budget (2013: 210 Mio Euro) dem "erfreulichen Wachstum an Forschungsaktivitäten" in Österreich nicht mehr gerecht werde. "Die fehlende Finanzierung, insbesondere auch des wissenschaftlichen Nachwuchses, droht die Erfolge im Aufbau der letzten Jahrzehnte wieder zunichtezumachen", heißt es. Die Konsequenz sei der Abgang junger Wissenschafter ins Ausland.

Der Grazer Molekularbiologe Rudolf Zechner, derzeit Sprecher der Wittgenstein-Preisträger, präzisierte den Brief, der dem Standard vorliegt. "Wissenschafter protestieren ja still, indem sie weggehen." Sein Befund: Der österreichische Staat lege zu viel Gewicht "auf nicht zukunftsbezogene Investitionen". Bildung und Forschung kommen aus Zechners Sicht zu kurz. Grundlagenforschung werde als Luxusgut betrachtet: "Schön, es zu haben, aber natürlich nur, wenn man dafür genügend Geld hat", sagt Zechner.

Internationale Vergleiche würden freilich zeigen, dass die Grundlagenforschung an Universitäten und außeruniversitären Einrichtungen "die Basis für die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung eines Landes" ist. Dieser Tatsache müsste man auch durch eine "gebührende gesellschaftliche Repräsentation" Rechnung tragen, heißt es im Schreiben der Wittgenstein-Preisträger, Damit erteilen sie auch den Überlegungen eine Absage, das Wissenschaftsministerium als Staatssekretariat ins Wirtschaftsministerium einzugliedern. Zechner: "Der Wirtschaftsminister ist kein Forschungsminister: Beides ist wichtig, es sind aber gänzlich andere Dinge."

Der Brief der Preisträger ist nicht der erste derartige Appell, der in jüngster Zeit an die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP im Zuge ihrer aktuellen Koalitionsverhandlungen ging. Auch im kürzlich präsentierten "Zukunftspakt für Wissenschaft und Forschung" wurde eine ausreichende, verbindlich festgelegte Finanzierung gefordert. Dieses Schreiben wurde von FWF-Präsidentin Pascale Ehrenfreund, Anton Zeilinger, Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Thomas Henzinger, Chef des IST Austria, Jürgen Mittelstraß, Vorsitzender des Österreichischen Wissenschaftsrats, und Heinrich Schmidinger, dem Vorsitzenden der Universitätenkonferenz, unterschrieben. Sehr konkret war die erst vor kurzem erschienene Empfehlung des Forschungsrates, das Budget von FWF, Akademie der Wissenschaften und Christian-Doppler-Gesellschaft jährlich um 200 Millionen Euro zu erhöhen.

Der FWF selbst hat auch schon einen - für Beobachter im Vergleich zur Empfehlung des Forschungsrats deutlich realistischeren - Wunschzettel an die Koalitionsverhandler abgegeben. Der sieht eine jährliche Erhöhung des Budgets um zehn Prozent vor.

Die Forderungen der Wittgenstein-Preisträger sind tatsächlich nicht neu: Sie sind auch Bestandteil der 2011 verabschiedeten FTI-Strategie der Bundesregierung. Darauf weisen die Wissenschafter in ihrem Schreiben auch hin. Mit ihr wollte man bis 2020 von Innovation Follower zum Innovation Leader aufsteigen. Die Wittgenstein-Preisträger im O-Ton: "Der Umsetzung der FTI-Strategie sollte daher in der neuen Regierungsperiode hohe Priorität eingeräumt werden." Zwischen den Zeilen ist deutlich ein "endlich" zu lesen. (Peter Illetschko, DER STANDARD, 27.11.2013)