Das Elektronenmikrosop, Herzstück des Labors, wurde nach Vorgaben der Physiker in den USA angefertigt.

Foto: Uni Wien

Wien - Am Donnerstag, 28. November, eröffnet mit dem "Vienna UltraSTEM Lab" der Universität Wien ein weltweit einzigartiges Elektronenmikroskopie-Labor in Österreich. Dank der Anschaffung eines speziell angefertigten rund drei Millionen Euro teuren Raster-Transmissionselektronenmikroskop (STEM) sollen dort künftig innovative Ansätze in der Materialphysik entwickelt und getestet werden. Das Mikroskop ermöglicht die Betrachtung einzelner Atome bei so geringer Elektronenenergie, dass auch dünnste Materialien wie Graphen untersucht werden können.

Im Gegensatz zu Lichtmikroskopen arbeiten Elektronenmikroskope mit Elektronenstrahlen und liefern dadurch eine deutlich höhere Auflösung. Bei dem neuen Mikroskop der Universität Wien wird der Elektronenstrahl bis auf atomare Dimension fokussiert. "Der Strahl hat dann nur noch einen Durchmesser von einem Angström oder weniger. Das ist schon weniger als die meisten Abstände zwischen Atomen", sagte Jannik Meyer von der Gruppe "Physik Nanostrukturierter Materialien" an der Fakultät für Physik der Universität Wien. Ein Angström entspricht 100 Picometer (ein Picometer ist ein Milliardstel Millimeter). Das ist in etwa der Durchmesser eines Atoms inklusive Elektronenhülle.

Geringe Elektronenenergie

Diese Präzision wird durch spezielle Korrekturmechanismen erreicht. "Mit einem nicht korrigierten Gerät schafft man vielleicht drei Angström, unser UltraSTEM ermöglicht einen Angström - das ist genau die Grenze, wo man sich atomaren Abstände auflösen und man Atome einzeln sehen kann", so Meyer. "Je genauer man nachschauen kann, desto größer ist die Chance, dass man etwas Neues entdeckt", so der Physiker.

Eine weitere Besonderheit des Mikroskops  ist, dass das Gerät diese hohe  Auflösung bei einer relativ geringen Elektronenenergie schafft. "Das ist wichtig, weil die Probe dadurch nicht durch den Elektronenstrahl zerstört wird", erklärte Meyer. Dadurch sei es möglich, Materialien zu untersuchen, die bisher als zu strahlungsempfindlich galten.

Dazu zählt Graphen, das dünnste und zugleich stabilste denkbare Material mit der höchsten elektrischen und thermischen Leitfähigkeit. Durch diese bemerkenswerte Eigenschaften vielversprechende Anwendungsmöglichkeiten in Materialphysik und Elektronik. "Es gibt aber eine Vielzahl anderer zweidimensionaler Materialien, die ähnlich wie Graphen nur eine oder wenige Atomlagen dick und in anderer Hinsicht interessant sind", so Meyer.

Hochpräzise und hochempfindlich

Beispielsweise Molybdändisulfid, das im Gegensatz zum ausgezeichneten Leiter Graphen ein Halbleiter ist, oder zweidimensionales Bornitrid, ein Isolator. "Damit hat man schon alle Komponenten, die man für den Bau von Schaltkreisen benötigt", sagt der Physiker, der für die Entwicklung von Analysemethoden für Graphen heuer einen mit rund 1,5 Millionen Euro dotierten ERC-Starting Grant erhalten hat.

So präzise das neue Gerät ist, so empfindlich ist es auch. Am Physik-Standort der Uni in Wien-Alsergrund wäre eine Verwendung des Mikroskops wegen der Umgebungs-Erschütterungen und vor allem der durch Straßenbahnen erzeugten Magnetfelder nicht möglich gewesen. Aus diesem Grund wurde das "Vienna UltraSTEM Lab" in der Sternwarte der Uni Wien im 18. Bezirk eingerichtet. Selbst dort musste das Gerät noch durch eine Kabine aus einer Eisen-Nickel-Legierung vor den Magnetfeldern abgeschirmt werden. (APA/red, derStandard.at, 28.11.2013)