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Es bleibt den Ländern überlassen, wie sie den Kindergarten gestalten.

Foto: apa/Waltraud Grubitzsch

Bei der Kinderbetreuung blüht der Föderalismus. Das geht aus den am Donnerstag vorgelegten Rechnungshofberichten über die Kindergärten in Niederösterreich und der Steiermark hervor. In Gesetzgebung und Vollziehung sind die Kindergärten Landessache – was zu deutlichen Unterschieden im Ausmaß und der Qualitiät der Betreuung führt: Die Bundesregierung hatte gemäß den Barcelona-Vereinbarungen der EU vorgegeben, dass bis zum Jahr 2010 für jedes dritte Kind unter drei Jahren ein Betreuungsplatz bereitgestellt sein müsste – diese Quote war bis 2011 weder in Niederösterreich (21,2 Prozent) noch in der Steiermark (10,0 Prozent) erfüllt. Österreichweit stand nur für jedes fünfte Kleinkind (19,7 Prozent) ein Betreuungsplatz zur Verfügung.

Und wenn der Bund draufschauen will, tut er sich schwer, räumen die Kontrollore ein. Das beginnt bei den Begriffen – und setzt sich in der Betreuungspraxis fort, schreibt der Rechnungshof (RH): "Die in Niederösterreich und der Steiermark bestehenden unterschiedlichen Formen der Kinderbetreuung und die unterschiedlichen Definitionen von Kinderbetreuungseinrichtungen erschwerten vergleichende Aussagen zur Kinderbetreuung für 0- bis 6-Jährige. So lag das Eintrittsalter in den Kindergarten in Niederösterreich bei 2,5 Jahren und in der Steiermark bei drei Jahren. Während in der Steiermark Betreuungseinrichtungen für Kinder vor dem Kindergartenalter als Kinderkrippen definiert waren, fehlte in Niederösterreich eine eigene Bezeichnung für Betreuungseinrichtungen dieser Altersgruppe."

2.350 Kinder zusätzlich im Kindergarten

Die vom RH festgestellten Mängel setzen sich im letzten, verpflichtenden, Kindergartenjahr fort. Vom Bund wurde vorgegeben, dass alle fünfjährigen Kinder zumindest halbtags in den Kindergarten müssen – und dass das den Eltern kostenfrei angeboten werden muss. Erklärtes Ziel der Gratispflichtkindergartenvereinbarung war es, allen Kindern "beste Bildungsmöglichkeiten und Startchancen in das spätere Berufsleben unabhängig von ihrer sozioökonomischen Herkunft zu bieten". Die Maßnahme brachte eine Steigerung des Kindergartenbesuchs in dieser schon vor dem 1. September 2009 gut erfassten Altersgruppe um 2.350 Kinder (2,5 Prozentpunkte) auf 96,4 Prozent. Der Bund zahlte vereinbarungsgemäß dazu, die Länder nahmen die (befristeten) Zuschüsse dankend an und steckten sie in ihre jeweiligen Systeme.

In der Steiermark passierte das immerhin koordiniert: Dort ist eine einzige Stelle dafür verantwortlich, die 13 verschiedenen Fördersysteme zu verwalten. In Niederösterreich ist die Verwaltung auf mehrere Stellen aufgesplittert, was laut RH eine effektive Steuerung wesentlich erschwert.

Bessere Chancen für steirische Kinder

Die Rahmenbedingungen zum verpflichtenden Kindergartenjahr sind in den beiden Ländern jedoch unterschiedlich gestaltet. So muss in der Steiermark ein Kind den Kindergarten für mindestens 20 Wochenstunden besuchen, in Niederösterreich nur für 16 Stunden. Ein Pflichtkindergartenkind habe in der Steiermark so die Chance auf einen um bis zu 25 Prozent längeren Förderungszeitraum als in Niederösterreich, moniert der Rechnungshof.

Obwohl sich alle Länder verpflichteten, bundesweit möglichst einheitliche Sanktionen zu erlassen, waren in Niederösterreich und der Steiermark unterschiedliche Sanktionen im Falle eines Verstoßes gegen die Besuchspflicht vorgesehen. Steirische Gemeinden haben die Pflicht, Verstöße gegen die Kindergartenpflicht anzuzeigen. Nicht jedoch die Gemeinden Niederösterreichs. Auf eben diese "hinzuwirken", empfiehlt der Rechnungshof dem Land Niederösterreich.

In der Steiermark ist die Kindergartenpflicht im Kinderbildungs- und Betreuungsgesetz geregelt. Ein Verstoß gegen die Besuchspflicht bedeutet eine Verwaltungsübertretung und kann von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von bis zu 220 Euro bestraft werden. 

Gemeinden zahlen am meisten

Dabei geht es nicht nur um die Kinder, es geht auch um viel Geld, rechnet der RH vor: "Insgesamt investierten die Länder Niederösterreich und Steiermark sowie deren Gemeinden im Zeitraum 2007 bis 2011 Bundesmittel von rund 17,76 Millonen Euro, Landesmittel von rund 304,67 Millionen Euro und Gemeindemittel von rund 663,13 Millionen in Kinderbetreuungseinrichtungen. Die laufenden und vom Bund mit rd. 53,89 Millionen Euro unterstützten Ausgaben für Kinderbetreuung erreichten im selben Zeitraum auf Landesebene rund 1,26 Milliarden Euro und auf Gemeindeebene rund 1,39 Milliarden Euro."

Tendenz: stark steigend – in der Steiermark erhöhten sich die laufenden Ausgaben des Landes für Kinderbetreuung zwischen 2007 und 2011 um knapp 70 Prozent. Speziell zu Niederösterreich hielt der RH fest, dass der Ausbau der öffentlichen Kindergärten zwischen 2008 und 2011 zu einem Anstieg der Schulden des Niederösterreichischen Schul- und Kindergartenfonds auf das fast Vierfache (rund 198 Millionen Euro) führte – ein Betrag, der nirgendwo öffentlich ausgewiesen wurde, obwohl die Schulden rund 5,7 Prozent der Finanzschulden des Landes ausmachen.

Ist dieses Geld auch gut angelegt? Der Rechnungshof bestreitet das nicht, sieht aber erhebliche Mängel bei der Kontrolle: "Trotz der großzügigen budgetären Vorsorge für eine Evaluierung des Gratispflichtkindergartens im Ausmaß von zwölf Millionen Euro für den Zeitraum 2010 bis 2013 gab es bisher keine konkreten Maßnahmen für eine entsprechende qualitative Evaluierung." (Conrad Seidl, Katrin Burgstaller, derstandard.at, 28.11.2013)