Wien - "Europas Banken stehen vor einer drastischen Kapitalklemme." In einem aktuellen Bericht warnen Londoner Wirtschaftsprüfer von PricewaterhouseCoopers, dass Europas Banken 2014 knapp 280 Milliarden Euro an Eigenkapital zusätzlich benötigen. Denn erst dann könnten sie schärfere Eigenkapital- und Verschuldungsvorschriften und die Bilanzprüfung der Europäischen Zentralbank (EZB) schadlos überstehen. Mit reiner Bilanzkosmetik könnten sich die Geldhäuser dabei nicht retten, glaubt der zuständige PwC-Manager Miles Kennedy. Stattdessen müssen die Geldhäuser knapp 180 Milliarden Euro an frischem Kapital emittieren.

Dazu kommen noch Baustellen beim zentralen Projekt Bankenunion in Europa, kritisiert Jan Pieter Krahnen, Professor für Kreditwirtschaft an der Goethe-Universität Frankfurt im Standard-Gespräch: "Alle reden über die Gläubigerbeteiligung, aber es gibt noch wenige Instrumente, um sie durchzusetzen." Mit "Bail-ins" sollte verhindert werden, dass ausschließlich Steuerzahler für Verluste von Banken geradestehen müssen. Aber nach wie vor seien Banken zu sehr miteinander vernetzt, eine Beteiligung der Gläubiger an einer Bankenpleite könnte eine Kettenreaktion auslösen. "Die Rückwirkung muss ausgeschlossen werden. Eine Haftungsnahme darf keine Bankenkrise auslösen", sagt Krahnen, der Mitglied der Liikanen-Kommission war, die Vorschläge zur Reform von Europas Bankensektor erarbeitet hat. Er schlägt vor, dass Banken künftig neue Schuldtitel begeben sollen, die aber nicht von anderen Geldhäusern gekauft werden dürfen.

Fallstricke

Doch auch beim aktuellen "Asset Quality Review" der EZB gibt es noch Fallstricke. Die EZB übernimmt ab 2014 die europäische Bankenaufsicht und soll marode Institute identifizieren. "Die offene Frage ist der Backstop, der Schutz für den Krisenfall, ohne den wird die Bankenunion nicht funktionieren", warnt Josef Zechner, Professor für Finance und Investments an der Wirtschaftsuniversität Wien. Auch für Krahnen liegt "der Ball im Spielfeld der Regierungen". Diese müssten sich auf einen Fonds verständigen, der im Krisenfall auch finanziell eingreifen kann. Die EZB könnte sonst Skrupel haben, die tatsächlichen Kapitallücken einzelner Institute zu benennen.

Dabei hätten die Regulatoren durchaus recht, neben der traditionellen Eigenkapitalquote auch andere Maßstäbe anzuwenden, um die Geldinstitute sicherer zu machen. "Es braucht einen Zangen- und Klammergriff auf die Banken", sagt Krahnen. Er hält eine verbindliche Leverage Ratio, die die Verschuldung einer Bank beschränkt, für zentral. Krahnen war auf Einladung der Fondsgesellschaft Spängler IQAM Invest in Wien, die ein Forschungszentrum (Research Center) in Kooperation mit der TU und WU Wien gegründet hat. Er wird dort im Beirat sitzen. (sulu, DER STANDARD; 29.11.2013)