Bad Nauheim - Bis vor wenigen Jahren war gängige Lehrbuchmeinung, dass das Herz von Säugetieren keine nennenswerte Regenerationsfähigkeit besitzt. Mittlerweile ist aber bekannt, dass doch eine kontinuierliche Erneuerung der Herzmuskelzellen stattfindet, allerdings auf sehr niedrigem Niveau. Forscher des Max-Planck-Instituts für Herz- und Lungenforschung in Bad Nauheim haben nun eine dafür verantwortliche Stammzellpopulation identifiziert. Ihre Forschungsergebnisse wzrden nun im Fachmagazin "Stem Cell Reports" veröffentlicht.
Im Gegensatz zu Säugern verfügt das Herz einiger Wirbeltiere über eine ausgeprägte Fähigkeit zur Regeneration und Selbstheilung. Einige Amphibien- und Fischarten haben diese Fähigkeit so weit perfektioniert, dass sie Schädigungen des Herzgewebes vollständig reparieren und so die Funktionsfähigkeit des Organs komplett erhalten können.
Herzen von Säugetieren weisen hingegen eine sehr geringe Regenerationsfähigkeit auf. Lange glaubte man, dass die Herzmuskelzellen bei Säugern kurz nach der Geburt ihre Zellteilungsaktivität einstellen. Zudem ging man davon aus, dass im Säugerherz keine Stammzellen vorhanden sind, aus denen sich neue Herzmuskelzellen bilden können. Allerdings weisen neue Studien darauf hin, dass auch im Säugerherz ein Austausch gealterter Muskelzellen stattfindet. Experten schätzen aber, dass lediglich zwischen einem und vier Prozent der Herzmuskelzellen pro Jahr erneuert werden.
Koninuierlicher, aber unzureichender Austausch
Den Wissenschaftern um Thomas Braun ist es nun gelungen, bei Mäusen eine Stammzellpopulation zu identifizieren, die maßgeblich zu dieser Erneuerung von Herzmuskelzellen beiträgt. In Experimenten mit genetisch veränderten Mäusen konnten die Forscher zeigen, dass die als Sca1-Stammzellen bezeichneten Zellen im gesunden Herzen an einem kontinuierlichen Austausch von Herzmuskelzellen beteiligt sind. Zudem nimmt die Aktivität der Sca-1-Zellen im Falle einer Schädigung des Herzens zu, so dass deutlich mehr neue Herzmuskelzellen gebildet werden.
Da der Anteil von Sca-1 Stammzellen an der Masse der Herzmuskelzellen verschwindend klein ist, war die Suche nach ihnen ausgesprochen schwierig, berichteten die Forscher. "Zusätzlich standen wir vor dem Problem, dass Sca-1 als Markerprotein für Stammzellen nach deren Umwandlung in Herzmuskelzellen nicht mehr in den Zellen vorhanden ist", so Mitautor Shizuka Uchida. Deshalb veränderten die Wissenschafter die Stammzellen durch einen genetischen Eingriff derart, dass sie zusätzlich zum Sca-1 noch einen sichtbaren Marker herstellten. Selbst wenn Sca-1 später nicht mehr sichtbar war, blieb der Marker dauerhaft nachweisbar.
Hoffnung auf neue Therapieansätze
"Wir konnten auf diese Weise feststellen, dass der Anteil an Herzmuskelzellen, die auf Sca-1-Stammzellen zurückgingen, bei gesunden Mäusen kontinuierlich zunahm. Innerhalb von 18 Monaten haben sich rund fünf Prozent der Herzmuskelzellen erneuert", so Uchida. Darüber hinaus besaßen Mäuse, die an einer experimentell ausgelösten Herzerkrankung litten, bis zu dreimal neu gebildete Herzmuskelzellen.
"Die Daten zeigen, dass das Säugerherz prinzipiell dazu in der Lage ist, Regenerations- und Erneuerungsprozesse anzustoßen. Unter normalen Umständen sind diese aber nur unzureichend und können eine Schädigung des Herzens letztendlich nicht heilen", sagte Forschungsleiter Thomas Braun. Ziel sei es nun Wege zu finden, über welche die Bildung neuer Herzmuskelzellen aus den Herzstammzellen verbessert werden können und auf diese Weise die Selbstheilungskräfte des Herzens zu stärken. (red, derStandard.at, 28.11.2013)