Nach mehr als zehn Jahren in dem Metier kenne er die Welt der Personalverantwortlichen gut, behauptet Stefan Gribi. Lebenslauf schmiegt sich an Motivationsschreiben, Motivationsschreiben schmiegt sich an Lebenslauf. Job für Job, Tag für Tag. Und immer wirken die gleichen Mechanismen. Ist ein Schreiben etwa mit Tipp- oder Rechtschreibfehlern versehen, kommt der Kandidat in den meisten Fällen nicht in die nächste Runde. Endstation sind die Hände des Recruiters. "Sehr viele verkaufen sich unter ihrem Wert", sagt Gribi, "sie spielen ihre Stärken nicht aus".
E-Mail genügt
Der 46-jährige Schweizer hat sich vor gut einem Jahr für einen Seitenwechsel entschieden. Zuvor war er Rekrutierungsmanager der Swisscom, jetzt schreibt er Lebensläufe und Motivationsschreiben. Für Leute, die er eigentlich gar nicht kennt. Um Jobsuchenden bessere Chancen im Bewerbungsprozess zu ermöglichen; und um Geld zu verdienen. Je nach Auftrag und Umfang verlangt er von Kunden zwischen 250 und 400 Euro. Persönlich kennt er die meisten nicht, korrespondiert wird in erster Linie via Mail.
Fakten ausschmücken
Startschuss für seine Agentur "einfachBewerben" war im Oktober letzten Jahres, als erster in dieser Nische, wie er im Gespräch mit derStandard.at betont. "Ich werde mit Anfragen überhäuft", sagt er, "das Geschäft geht gut". Um einen neuen Lebenslauf mit Motivationsschreiben für den jeweiligen Job aufzusetzen, benötigt er die Eckdaten - am besten Arbeitszeugnisse, das Jobinserat und ein Bewerbungsfoto. Der größte Fehler, den Bewerber begehen: sie führen zu wenige Tätigkeiten an. "Der Personalverantwortliche kann sich kein Bild machen." Verantwortungsbereiche, Projekte und Weiterbildungen gehörten genauso in den Lebenslauf wie Hobbys und soziale Fertigkeiten. Kurz: Pimpen, wo es nur geht. Gribi: "Ich halte mich aber an die Fakten."
Zitat zu Beginn
Was ist zentral bei Motivationsschreiben? "Herausstreichen, warum jemand der Aufgabe gewachsen ist und sie erfüllen möchte", erklärt er. Eigentlich nichts Revolutionäres, dennoch scheitern viele daran. Genauso wie an der Fadesse des ersten und letzten Satzes: "90 Prozent der Motivationsschreiben beginnen gleich." Ein Klassiker ist: "Mit Interesse habe ich Ihr Inserat gelesen und bewerbe mich für diese Stelle." Um sich von der Masse abzuheben, könnte stattdessen etwa ein Zitat verwendet werden. Ein einfacher Clou, der den Unterschied zwischen Vorstellungsgespräch und Mistkübel ausmachen kann.
"Die Bewerbung ist nicht die Person selbst"
Zu glattgebügelten Bewerbungen aus der Retorte, die Individualität vermissen lassen, äußern sich andere Personalverantwortliche skeptisch. "Ich sehe die große Gefahr, dass die Authentizität verlorengeht", sagt Folke Werner, 45, Leiter des Recruitings bei der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC zu "Spiegel Online": "Ich möchte auch bei einer schriftlichen Bewerbung den Menschen kennenlernen." Durchgestylte Bewerbungen, die den Absender dahinter verschleiern, lehne er ab. Eine Kritik, die auch von anderen Personalberatern formuliert wird und mit der Gribi leben kann. Bis zu einem gewissen Grad kann er sie sogar nachvollziehen, aber: "Die Bewerbung ist nicht die Person selbst." Und spätestens beim Vorstellungsgespräch bröckelt der Lack ab: "Da sieht man, ob jemand ein Blender ist oder nicht."
Junge und ältere Kunden
Personalverantwortliche selbst seien nicht so naiv und denken, dass alle Bewerbungen authentisch und in Eigenregie verfasst wurden. Werden Jobkandidaten darauf angesprochen, sollten sie aber die Wahrheit sagen, rät er. Hilfe in Anspruch zu nehmen sei kein Verbrechen. Eine Erfolgsgarantie könne er seinen Kunden nicht geben, sondern nur die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass sie erfolgreich sind. Wer sind überhaupt die Kunden? Die Jüngsten sind laut Gribi 14 oder 15 Jahre alt, die Ältesten rittern um Jobs im Management. "Sich zu bewerben, gehört nicht zur Kernkompetenz eines Managers." Wer Geld hat, spart sich die Zeit.
Die Auftraggeber kommen fast ausschließlich aus der Schweiz, eine Expansion nach Deutschland und Österreich wird geprüft, sagt Gribi, derzeit noch als Ein-Personen-Unternehmen unterwegs. So unterschiedlich die Arbeitsmärkte auch sind, die Selektionskriterien im Bewerbungsprozess sind fast überall gleich. (omark, derStandard.at, 3.12.2013)