Wien - Prüfungsangst beugt Josef Seethaler gleich vor: "Das ist keine Prüfung der Medienunternehmen, ob sie qualitätvoll berichten oder nicht." Seethaler wird 2014 die "Qualität des tagesaktuellen Informationsangebots in den Medien" untersuchen. Seethaler ist Vizedirektor des Instituts für vergleichende Medienforschung an der Akademie der Wissenschaften.

Montag hat er die Studie zwei Dutzend Abgesandten jener Medien vorgestellt, deren Berichte er 2014 analysiert. Zum Beispiel: Wie vielfältig ihre Themen sind, wie weit ihr geografischer Horizont, wie groß die Relevanz, wieviele Hard- oder eher doch Softnews, wieviele Blickwinkel vorkommen, wie die Bevölkerung abgebildet wird, wer da zu Wort kommt - nur Akteure offizieller Institutionen oder etwa auch soziale Bewegungen. Und: Wie werden Fakten und Entwicklungen eingeordnet, werden Ursachen genannt und Lösungsmöglichkeiten? Paramenter, die sich in der internationalen Qualitätsforschung über Jahre bewährt hätten. Etwa im jährlich erhobenen US-Vorbild State of the News Media.

Von "Heute" bis STANDARD

Im ersten Durchgang werden jedenfalls untersucht: ORF 1, 2 und 3, ATV und ATV 2, Puls 4, Servus TV. Ö1, Ö3, FM4, Kronehit, Antenne Steiermark, Life Radio Oberösterreich, ORF.at, gmx.at, derStandard.at, oe24.at, krone.at. "Heute", "Kleine Zeitung", "Krone", "Kurier", "Österreich" und als Referenzgrößen "Die Presse" und DER STANDARD. Seethaler betont, er werde bei der Darstellung der Ergebnisse die Charakteristika der Medien und ihrer Zielgruppen berücksichtigen; der Qualitätsbegriff sei "breit" definiert.

Mit 225.000 Euro Budget und höchster Repräsentativität der Inhaltsanalyse gingen sich - vorerst - nicht alle größeren Blätter und Sender Österreichs aus. Er hofft aber, die Auswahl doch noch zu erweitern. Weniger als die genannten würden es jedenfalls nicht.

Erhoben werde "wesentlich materialintensiver" als etwa in der Schweiz, sagt Seethaler. Stichprobe der Inhaltsanalyse: 28 Tage komplette Berichterstattung von Zeitungen, von Radioinfos, TV-Hauptnachrichten. „Statistisch das höchstmögliche Maß an Repräsentativität", betont der Kommunikationswissenschafter. Also mehr als die Schweizer Studie mit einem Bruchteil der dortigen Mittel. Die Rundfunk-und Telekomregulierung finanziert den ersten Durchgang mit 150.000 Euro, 75.000 kommen von der Akademie, 10.000 steuert die Erste Bank bei. Weitere, auch internationale Vergleichsstudien für Deutschland, Österreich, Schweiz sollen folgen. Zwei weitere Schritte und Förderungen - FWF und in der Folge ein internationaler Fördertopf - sind geplant.

Seethalers Ziel? "Wir vergeben keine Noten. Wir wollen Diskussion anregen, Beobachtung in der Öffentlichkeit, auch Selbstbeobachtung der Medien, was sie tun."

"Kontroverse, aber wichtige Diskussionen"

Diskussion erhofft auch Initiator Alfred Grinschgl, Geschäftsführer der Rundfunk- und Telekomregulierung RTR: "Uns steht heute eine bisher nie dagewesene Medien- und Informationsvielfalt zur Verfügung. Aber darin Qualitätsjournalismus im Sinne guter Recherche und gesellschaftspolitischer Bildung vorzufinden, ist keine Selbstverständlichkeit. Das von der Universität Zürich jährlich herausgegebene 'Jahrbuch Qualität der Medien', das in der Schweiz regelmäßig kontroverse, aber wichtige Diskussionen auslöst,  ist ein Vorbild für unsere Studie. Der dafür verantwortliche, renommierte  Kommunikationsforscher Kurt Imhof hat uns den Vorschlag unterbreitet, etwas Ähnliches auch für Österreich zu tun - und ich habe diesen Vorschlag sehr gern weiterverfolgt", erklärt Grinschgl auf STANDARD-Anfrage.

Die RTR führt Ihre über mehrere Jahre geführte Programmanalyse der Rundfunk- und Telekomregulierung über TV-Sender in Österreich mit Vergleichswerten zu Deutschland und der Schweiz nicht weiter. Grinschgl erklärt das auf Anfrage so: "Die neue Studie zur Medien-Qualität löst unsere zwischen 2007 und 2012 viermal erschienene TV-Programmanalyse ab, deren Schwerpunkt eher auf einer quantitativen Untersuchung des Informationsangebotes im Fernsehen lag. Heute, wo Informationsangebote aus dem Internet und Gratis-Zeitungen ebenso ein Massenpublikum erreichen, greift dieser Ansatz zu kurz", findet Grinschgl: "Jetzt bedarf es einer Forschungsarbeit, die den Konsumenten Orientierung bietet und die die demokratiepolitische Aufgabe der Medien ins Zentrum rückt."  (fid, DER STANDARD, 4.12.2013)