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"Natürlich blond"? ...

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... Stadtrat Andreas Mailath-Pokorny sagt, dass eine halbe Million Besucher Musicals sehen wollen.

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Während in ganz Europa über Kürzungen im Kulturbereich oder über Schließungen von Kultureinrichtungen geklagt wird, entbrennt in Wien ein heftiger Diskurs über ein Mehr: knapp fünf Mio. Euro mehr für die Vereinigten Bühnen, knapp eine Mio. Euro für die Off-Theater. Worum geht es?

1. In den Nullerjahren hat sich die Wiener Kulturpolitik (auch ich) dafür entschieden, weiterhin zwei Bühnen für Musicals und ein Stagione-Opernhaus (später auch noch die Kammeroper) zusätzlich zu finanzieren. Bis zu 700.000 Besucher belegen eine große Nachfrage, mit dem Theater an der Wien wurde die Rolle Wiens als Musikstadt zusätzlich gestärkt.

2. Musicals mag man mögen oder nicht. Durchschnittlich eine halbe Million Menschen, die im Übrigen als Steuerzahler auch andere Kunstformen finanzieren, wollen dieses Angebot haben.

3. Nirgendwo sind Musicals ausschließlich privat finanziert. Dort, wo sie es vermeintlich sind, reduzieren die dafür notwendigen Steuerabschreibmodelle den öffentlichen Steuertopf.

4. Nicht alle Musicals können erfolgreich sein. Einzelne Misserfolge müssen in einem sonst erfolgreichen Haus möglich sein. Risiko gehört zu jeder Produktion.

5. Neben hundert anderen Bühnen in Wien sind die VBW der zweitgrößte Musiktheateranbieter, haben über 700 Mitarbeiter und bespielen vier historische Häuser (inkl. Kammeroper).

6. Bis 2008 lag der Zuschuss für Musical- und Opernhäuser bei über 40 Mio. Euro, wurde während zweier erfolgreicher Jahre auf 36 Mio. Euro reduziert und soll jetzt - befristet bis 2015 - auf 42 Mio. Euro zurückgeführt werden.

7. Dies ist mit der Auflage verbunden, ein Reformkonzept zu entwickeln, mit dem Subvention nachhaltig reduziert werden soll.

8. Diese Mittel werden zusätzlich vom Finanz- und Wirtschaftsressort zur Verfügung gestellt. Kein anderer Betrieb bekommt deswegen weniger Fördermittel.

9. Im Gegenteil: Die Mittel für Off-Theater und mittlere Bühnen werden 2014 auf 25,5 Mio. Euro erhöht. Das ist doppelt so viel wie im doppelt so großen Berlin.

10. Eine Kulturstadt lebt von der Vielfalt. Großes und Kleines, Etabliertes und Freies werden gefördert. Diese Kategorisierungen entsprechen im Übrigen auch nicht mehr der Realität: In der Kammeroper beispielsweise hat ein junges Ensemble Möglichkeiten, sich zu bewähren, die "großen" Wiener Festwochen fahren die innovative freie Schiene "Into the City".

11. In der Politik gilt es, Verantwortung zu übernehmen. Da geht es nicht um persönliche Geschmäcker und Vorlieben. Verantwortung heißt in diesem Fall auch, eine Lösung für 700 Mitarbeiter und Künstler, bis zu 700.000 Besucher und vier historische Häuser wahrzunehmen.

12. Gleichzeitig und darüber hinaus wurden langfristige Förderverträge beschlossen, das Kuratorenbudget für freie Theater wird erhöht, und einige Häuser werden kommunalisiert, um sie künftig ausschreiben und neuen Initiativen und Künstler zur Verfügung stellen zu können.

13. Abschließend eine Entschuldigung: Ich ziehe den Ausdruck "Neidgesellschaft" bedauernd zurück. Keinesfalls wollte ich damit die unzähligen Künstler, die unter prekären Verhältnissen arbeiten, beschreiben. Der Ausdruck entstand im Ärger darüber, dass die neue Leiterin des Volkstheaters von Einzelnen abqualifiziert wurde, ehe sie überhaupt noch ihr Programm präsentieren konnte.

14. Wien bleibt eine der wenigen Städte, in der die Theaterlandschaft wächst und in der über die Verteilung von zusätzlichen Mitteln noch gestritten wird. Woanders kann man lediglich deren Streichung beklagen. (Andreas Mailath-Pokorny, DER STANDARD, 5.12.2013)