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Umweltfaktoren sind nur ein Kriterium bei der Entstehung von Krankheiten.

Sie sind in der Forschung heiß begehrt: Eineiige Zwillinge haben das gleiche Erbgut, können aber im Laufe ihres Lebens unterschiedliche Krankheiten und Krankheitsverläufe entwickeln. Aber wieso wird ein Zwilling krank, während der andere gesund bleibt? Und wieso überlebt der eine, wenn der andere an der gleichen Krankheit stirbt? Die Antworten darauf suchen Forscher im Bereich der Epigenetik.

Diese ist ein junger, aber aufstrebender Zweig in der Wissenschaft. Anders als bei genetischen Mutationen wird bei der Epigenetik die Abfolge der Bausteine der DNA nicht verändert. Moleküle binden stattdessen auf einem DNA Strang und verändern diesen dadurch chemisch. Das hat zur Folge, dass die Genaktivität beeinflusst wird und so bestimmte Gene ausgeschaltet werden.

Der direkte Vergleich

Epigenetische Veränderungen, auch Epimutationen genannt, sind Reaktionen auf Umwelteinflüsse, wie etwa den persönlichen Lebensstil. Sie sind ein Kriterium bei der Entstehung von Krankheiten - aber nicht das einzige.

Dickdarmkrebs etwa ist ein Beispiel dafür, dass zwar viele epigenetische Veränderungen vorliegen, aber ebenso viele Mutationen in den Genen. "Epigenetische Veränderungen allein sind nicht ausschlaggebend für eine Erkrankung, sondern das Zusammenspiel von mehreren Faktoren", sagt die Epigenetikerin Gerda Egger von der Medizinischen Universität Wien.

Studien mit eineiigen Zwillingen bieten sich an, diese Veränderungen zu untersuchen, fällt doch der Faktor der genetischen Variabilität weg, wodurch die Forschung erheblich erleichtert wird. Anders verhält es sich bei zweieiigen Zwillingen: sie werden unter denselben Umwelteinflüssen zur gleichen Zeit geboren, sind aber genetisch nicht ident, weil sie durch Befruchtung zweier Eizellen mit je einem Spermium entstanden sind.

In der Forschung wird daher das Erbgut von eineiigen Zwillingen verglichen und so festgestellt, ob die Ursachen für die Erkrankungen eher epigenetischer oder genetischer Natur sind.

Zufall wichtig

Christoph Bock, Epigenetiker und Bioinformatiker am Zentrum für molekulare Medizin (CeMM) ist an einer europaweiten Studie beteiligt, die Epimutationen zwischen gesunden und kranken Menschen vergleicht. "An dieser Studie beteiligen sich auch Zwillinge, insbesondere in den Niederlanden und in Großbritannien, wo Zwillingspaare sich besonders aktiv in die biologischen Forschung einbringen", sagt er.

Ein Beispiel für den Krankheitsverlauf bei Zwillingen ist jener der österreichischen Tennisprofis Sandra und Daniela Klemenschits. Im Frühjahr 2007 wurde bei beiden ein seltener Unterleibskrebs diagnostiziert. Während Sandra Klemenschits geheilt werden konnte, verstarb ihre Zwillingsschwester ein Jahr nach der Diagnose im Alter von nur 25 Jahren.

Da es sich bei der Erkrankung um eine sehr seltene Krebsart handelt und beide Schwestern sehr jung daran erkrankt sind, sei es wahrscheinlich, dass der Tumor erblich bedingt gewesen ist, so Bock. Der Verlauf einer Krankheit, also etwa die Geschwindigkeit, mit der Tumorzellen wachsen, hängt sowohl von genetischen, als auch von epigenetischen Veränderungen ab. Das Zusammenspiel dieser Faktoren und der Zeitpunkt der Diagnose mögen eine Rolle spielen, warum Daniela Klemenschits verstarb, ihre Schwester aber geheilt werden konnte.

Neben Genetik und Epigenetik sei allerdings noch ein Faktor nicht zu unterschätzen: der Zufall. Krebspatienten sterben vor allem, so Bock, weil die Tumorzellen Resistenzen gegen die Medikamente ausbilden – und das sei zum Teil auch zufällig. "Tumorwachstum ist ein evolutionärer Prozess, bei dem zufällige Mutationen oder Epimutationen auftreten. Einige dieser Veränderungen können dazu führen, dass die Krebszellen resistent werden", sagt Bock.

Vieles noch unklar

Bisher ist vieles in der Epigenetik noch unklar, so etwa, wann epigenetische  Unterschiede zwischen Zwillingen tatsächlich entstehen und die Krankheitsentwicklung mit beeinflussen. Während manche Studien gezeigt haben, dass sich Zwillinge mit dem Alter zunehmend epigenetisch voneinander unterscheiden, zeigen andere, dass bei eineiigen Zwillinge bereits kurz nach der Geburt unterschiedliche Gene aktiv sind, sie also bereits mit verschiedenen chemischen Veränderungen auf der DNA auf die Welt kommen.

Nicht nur der Zeitpunkt der Veränderungen ist unklar, sondern auch die genauen Mechanismen. Immerhin ist die Forschung noch jung und bringt daher noch keine eindeutigen Ergebnisse. "Die benutzten Techniken sind unterschiedlich, es wird manchmal auch nicht das richtige Gewebe untersucht oder mit zu wenigen Probanden geforscht", sagt Egger.

Langzeitstudie Diabetes

Prinzipiell konzentriert sich die epigenetische Forschung auf verschiedene Tumor- und Autoimmunerkrankungen sowie auf Diabetes. Diabetes Typ I ist bislang die einzige Krankheit, die in einer Langzeitstudie unter Zwillingen untersucht worden ist und Epimutationen dadurch genauer bekannt sind. Weitere Zwillingsstudien konnten diese Veränderungen auf der DNA bei Schizophrenie, bipolarer Störung und Alzheimer nachweisen.

Im Bereich der Krebsforschung konnte gezeigt werden, dass Lungenkrebs Vorstufen besitzt, die auf einer modifizierten DNA beruhen. "Epigenetische Veränderungen treten bei Tumorerkankungen bereits sehr früh auf", sagt Egger. Damit kann ein weiterer Weg dafür geebnet werden, Krebserkrankungen frühzeitig zu diagnostizieren.

Die epigenetische Forschung bei Zwillingen mag in vielen Bereichen noch keine eindeutigen Ergebnisse hervorgebracht haben, Egger zeigt sich jedoch zuversichtlich: "Wir haben jetzt erst die Technologie, dass wir die Unterschiede bei eineiigen Zwillingen untersuchen können." (Sophie Niedenzu, derStandard.at, 16.12.2013)