Die Magnetresonanz-Tomographie ermöglicht tiefe Einblicke ins Gehirn.

Foto: DZNE/Guido Hennes

Während sich das menschliche Gehirn im Ruhezustand befindet, können neuronale Erregungsmuster, die mit bestimmten Gedächtnisinhalten zusammenhängen, spontan wiederkehren. Diese Wiederholungen tragen dazu bei, dass sich Erinnerungen verfestigen und dauerhaft abgespeichert werden. Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) und der Universität Bonn berichten über diese Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe des "Journal of Neuroscience".

Die Forscher um Nikolai Axmacher führten einen Gedächtnistest mit einer Reihe von Probanden durch und erfassten zugleich deren Hirnaktivität mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanz-Tomographie. Der Versuchsablauf umfasste mehrere Ruhephasen und einen Mittagsschlaf im Tomographen. Die Studie zeigt, dass Momente der Ruhe die Gedächtnisleistung im Allgemeinen fördern können, und gibt einen Einblick in die zugrunde liegenden Mechanismen.

Schlummernde Gedanken

Je nach Gemütslage und Tätigkeit sind im menschlichen Gehirn unterschiedliche Regionen aktiv - manche mehr, manche weniger. Wahrnehmungen und Gedanken verändern diesen Zustand. So entsteht ein neuronales Aktivitätsmuster, das an die erlebte Situation gekoppelt ist. Wenn wir uns an sie erinnern, werden ähnliche Muster wiedererweckt, die bis dahin im Gehirn schlummern. Wie sie dort latent verbleiben, ist noch weitgehend ungeklärt.

Die gängige Theorie der Gedächtnisbildung geht davon aus, dass Erinnerungen schrittweise abgespeichert werden: Zunächst legt das Gehirn neue Informationen nur vorübergehend an. Damit diese langfristig erhalten bleiben, ist ein weiterer Prozess erforderlich, die sogenannte Konsolodierung. Wie dieser Vorgang genau abläuft, ist noch unbekannt, Untersuchungen legen jedoch nahe, dass dafür eine sogenannte Reaktivierung von Bedeutung ist.

Dabei wiederholen sich im Gehirn Aktivitätsmuster, die mit einer bestimmten Erinnerung zusammenhängen. "Es ist eine Tatsache, dass Dinge, die aktiv eingeübt werden, sich besser einprägen und länger im Gedächtnis bleiben. Wir gehen allerdings davon aus, dass eine Reaktivierung von Gedächtnisinhalten auch spontan geschehen kann, also ohne äußeren Anlass", so Neurologe Nikolai Axmacher von der Uni Bonn.

Gedächtnistest im Tomographen

Um diese Hypothese auf die Probe zu stellen, baten Axmacher und sein Team zehn Probanden zum Gedächtnistest. Die Versuchsteilnehmer waren im Schnitt etwa 24 Jahre alt und gesundheitlich unauffällig. Ihre Aufgabe: Sie sollten verschiedene Bilder mit einer zuvor gezeigten räumlichen Position verbinden. Das bedeutete konkret, sich die Lage einer Markierung für jede einzelne dieser Abbildungen zu merken. "Das ist eine assoziative Aufgabe, bei der optische und räumliche Eindrücke verknüpft werden müssen", sagt Axmacher. Solche Tätigkeiten würden verschiedene Hirnregionen beanspruchen, unter anderem visuellen Cortex und auch den Hippocampus, der an vielen Gedächtnisprozessen beteiligt ist.

Die Bilder zeigten unter anderem Frösche, Bäume, Flugzeuge und Menschen. Sie waren alle an unterschiedlicher Stelle mit einem weißen Quadrat markiert. Zum Ende des Experimentes bekamen die Versuchsteilnehmer diese Bilder erneut zu Gesicht – nur diesmal ohne Kennzeichnung. Ihre Aufgabe war es nun, per Computer-Maus jedes Bild an der zuvor gezeigten Stelle zu markieren. Wie gut dies gelang, ermittelten Axmacher und seine Kollegen anhand der Abweichung von der korrekten Position.

Die Testreihe dauerte mehrere Stunden, die jeder Proband – abgesehen von kurzen Unterbrechungen – in der Röhre eines Magnetresonanz-Tomographen (MRT) verbrachte. Während des gesamten Experiments, das mehrere Ruhephasen und einen Mittagsschlaf beinhaltete, erfasste das MRT die Gehirnaktivität der Versuchsteilnehmer.

Höhere Treffsicherheit nach Wiederholung

Die Forscher werteten diese Daten mit Hilfe eines mathematischen Algorithmus aus. Dieser suchte nach Ähnlichkeiten zwischen den Hirnmustern, die bei der ursprünglichen Vorführung der Bilder vorkamen und solchen, die zu späteren Zeitpunkten auftraten. "Dieses Verfahren der Mustererkennung ist ziemlich aufwendig, aber recht effektiv", sagt Axmacher. "Bei der Analyse stellte sich heraus, dass neuronale Muster, die wir einzelnen Abbildungen zuordnen konnten, während der Ruheperioden und auch während des Mittagsschlafes wiederkehrten."

Die Gedächtnisleistung der Probanden ging Hand in Hand mit der Häufigkeit, mit der sich Hirnmuster wiederholten. Je häufiger ein Aktivitätsmuster auftrat, desto genauer konnte ein Proband das zugehörige Bild markieren. "Diese Resultate stützen unsere Vermutung, dass sich neuronale Muster spontan wiederholen können und dass sie die Bildung dauerhafter Gedächtnisinhalte fördern", sagt Axmacher. Somit sei dieses Phänomen zum ersten Mal auch beim Menschen belegt.

Die Studie zeigt außerdem, dass Momente der Entspannung die Gedächtnisleistung im Allgemeinen fördern können. "Aus unseren Daten können wir allerdings nicht ablesen, ob der Schlaf eine besondere Wirkung hatte. Das mag aber an den Bedingungen unseres Experimentes liegen", sagt Axmacher.

Nachtschlaf gilt als günstig für die Konsolidierung von Gedächtnisinhalten, dauert für gewöhnlich aber viele Stunden und beinhaltet den mehrfachen Wechsel zwischen verschiedenen Schlafphasen. Bei der vorliegenden Untersuchung kam es jedoch nur zu einem vergleichsweise kurzen Nickerchen. Wenn überhaupt sanken unsere Probanden nur kurzzeitig in den Tiefschlaf. Gleichwohl deuten aber andere Studien darauf hin, dass selbst ein kurzer Mittagschlaf die Gedächtnisleistung durchaus fördern kann. (red, derStandard.at, 5.12.2013)