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Wien – Eigentlich könnte Anton Reiter den Herrgott einen guten Mann sein lassen, am Abend vor Mariä Empfängnis. Geht alles glatt, dann hat er eben am Sonntagabend sein gestecktes Ziel für 2013 erreicht und als einziger Österreicher seinen 52. Marathon in diesem Jahr absolviert – in Reggio Emilia. Allerdings ist dann noch zu viel Jahr über, um sich quasi auf die faule Haut zu legen. Und Gelegenheiten, bis zum Jahreswechsel die 42,195 Kilometer zu laufen, gibt es noch genügend – etwa einen Marathon unter Freunden am Weihnachtstag in St. Pölten.

Laufend mehr

Davor, nächste Woche Sonntag, wird Reiter noch den 2. Indoor Marathon in der Messe Wien schmücken, auch wenn er das Startgeld für die allgemeine Bestzeitjagd unter perfekten (weil quasi künstlichen Bedingungen) geradezu unverschämt hochhält. "65 Euro, aber es gibt keine Medaille, kein Leiberl, nichts". Reiter, ein 1,90 Meter großer Beamter, der vor 13 Jahren ins Laufen kam, um ein paar Kilogramm Übergewicht zu verlieren, seinen ersten Marathon im Mai 2001 in Wien lief und ab 2009 zu einem einschlägigen Sammler mutierte, weiß solche Dinge. Der Mitbegründer des 100 Marathon Club Austria wird am Sonntag zum insgesamt 173. Mal die klassischste alle Laufstrecken absolviert haben. Dafür bereiste er Nordamerika und beinahe ganz Europa. Denn Reiter läuft nicht nur um des Laufens willen wie der vermutliche Weltrekordler, Christian Hottas, der daheim in Hamburg, quasi hinter dem Haus, pro Woche bis zu drei Marathons absolviert und vor allem so auf seine mehr als 2000 kam.

Reiter nennt sich einen Marathontouristen, der sein Augenmerk nicht vorrangig auf die Laufzeit, sondern eher auf die Anzahl der Läufe und ihre Begleiterscheinung richtet, dem eine schmucke Medaille und ein kleidsames Leiberl als Teilnahmebestätigung ebenso Freude bereitet wie die Treffen mit Menschen, die ebenso gestrickt sind wie er.

Sightseeing ist Reiter nicht weniger wichtig. Er sieht sich als Hobbymarathonläufer mit touristischen Interessen, der das Reisen mit dem Laufsport verbindet. Auch wenn das Reisen oft und oft nur aus strapaziösen Autofahrten zwischen den einzelnen Rennen besteht. Dass darob die sportliche Ambition nicht leiden muss, beweist sein erster Marathon 2013 in Chorzow, Polen, bei dem Reiter in 4:07:21 nicht weit über seiner schon 2001 fixierten Bestzeit von 3:59:04 Stunden (1. Linz Marathon) blieb.

Erzählen wie ein Buch

Nicht weiter verwunderlich ist da, dass sich Reiter mit der Theorie des Marathons beschäftigt hat und auch jede Menge über Trainingsmethodik und das sonstige Rüstzeug für langes Laufen zu erzählen hat. So viel zu erzählen, dass er es aufschreiben musste. Einen Verlag, der Reiters schließlich 528 Seiten umfassendes Kompendium zum Zwecke des Geldverdienens drucken wollte, fand sich nicht. Also kaufte er eine Erstauflage von 30 Stück selbst. "Das war nicht billig, aber ich habe es für mich gemacht. Und für meine Familie." Seine Frau Elfriede, die keine Marathons läuft, und die diesbezüglich hoch talentierte Tochter haben Verständnis für das, was man gemeinhin einen Spleen nennt.

Der drückt sich wohl auch darin aus, dass Reiter sich mehr und mehr extremeren Rennen wie der Weltmeisterschaft im Bergmarathon im polnischen Riesengebirge widmet. Fast siebeneinhalb Stunden benötigte er da, allerdings waren auch 1800 Höhenmeter zu bewältigen, "und es war auf einer schattenlosen Hochebene extrem heiß. Ein Erlebnis."

Es ist davon auszugehen, dass Reiter 2014 seinen 200. Marathon absolviert. Auf 52 Rennen wird er aber nicht kommen. "Meine Frau und ich werden 60, wir feiern das mit einer Weltreise." In die waren nur "drei, vier" Marathons einzuplanen. "Es gibt schließlich Wichtigeres". (Sigi Lützow; DER STANDARD; 7./8.12.2013)