Salzburg - An der Liftstation kommt ein eigenwilliges Lied aus dem Lautsprecher. Die Touristen kennen die berühmte Sängerin, sie logiert im selben Hotel. "Schade, dass sie so gerne moderne Musik singt", singt der Chor der Skifahrer und fängt erleichtert an zu tanzen, wenn die Hotelband swingend einsetzt. Der kraftvolle Ton des Jazzband-Geigers Jonny lässt wiederum den ebenfalls urlaubenden Violinvirtuosen Daniello die Ohren spitzen: Das klingt verdammt nach seiner gestohlenen Amati!

Ja, Andreas Gergen, Opernchef am Salzburger Landestheater, inszenierte die Oper Jonny spielt auf von Ernst Krenek im Bühnenbild von Court Watson temporeich: Es wird eine Version mit Sessellift, Skywalk über dem Gletscher und dampfender Eisenbahn, deren Protagonisten auch indoor immer in Bewegung bleiben. Dafür sorgt schon die wie eine Vinyl-Schallplatte sich drehende Bühne. Und: Zur Ausstattung im Stil der Zwanziger- und Dreißigerjahre stimmt hervorragend an der Bühnenrückwand Court Watsons Collage aus Originalplakaten, die mit der Mode der Zeit spielt.

Den Jonny singt, tanzt der brillante Nathan De'Shon Myers. Die Titelfigur der Oper ist hier eine Art Puck, der mit seinen Einfällen die Geschichte voran- und die Figuren vor sich hertreibt. Er klaut die Geige des Virtuosen, begrapscht vor dessen Augen die berühmte Sängerin. Vor allem aber obliegt es Jonny, der europäischen Musik einen amerikanisch polierten Spiegel vorzuhalten: Wobei "Amerika" schon für Krenek 1927 mehr ein Utopia als ein reales Land dargestellt haben dürfte.

Eine "Jazz-Oper" ist Jonny spielt auf natürlich nicht. Da und dort etwas Porter oder Gershwin, das sei alles, sagte schon Krenek. Aber das kommt temporeich und rhythmisch mitreißend-pointiert vom Mozarteumorchester unter Adrian Kelly. Besonders, wenn Nathan De'Shon Myers als Jonny und das Stubenmädchen Yvonne zu zanken und zu kosen beginnen: Mit dem neckischen Selbstbewusstsein einer Mozart'schen Susanna setzt Laura Nicorescu auf virtuos phrasierte Linien funkelnde Sopran-Glanzlichter. Vieles erinnert aber auch an Puccini oder Schreker. Die romantisch-expressionistischen "Opera seria"-Passagen in Jonny gehören dem melancholischen Komponisten Max und der Starsopranistin Anita.

Den in seiner Weltangst erstarrten Komponisten singt Franz Supper mit traurigem Dackelblick und strahlkräftigem Tenor. Ihn hat Anita - im Wortsinn - vom Gletscher losgeeist und ins Hotelzimmer geschleppt: Christiane Boesiger überzeugt darstellerisch als Diva der alten Schule und mit sängerisch weit gespannten Melodiebögen. Ebenfalls souverän: Simon Schnorr als selbstverliebter Violinvirtuose Daniello, dem der Regisseur die Attitüde eines Don Giovanni gegeben hat. (Heidemarie Klabacher, DER STANDARD, 9.12.2013)