Ein Screenshot aus dem YouTube-Video.

Screenshot: youtube/NeinzumSPG

Graz - Eine Kamera, zwei Sichtweisen. Vor ziemlich genau zwei Jahren - seither beschäftigt der Fall die Justiz - kam es bei einer Fasan-Treibjagd am Stadtrand von Graz zu einer tätlichen Auseinandersetzung zwischen einem Tierschützer und einem Polizisten. Der Beamte stand nun am Montag wegen Körperverletzung, Amtsmissbrauch und Verleumdung vor Richter Erik Nauta im Grazer Straflandesgericht.

Der Tierschützer hatte den Vorfall großteils mit seiner Kamera festgehalten und die Polizisten während ihrer Amtshandlung gefilmt. Entscheidende Sequenzen aber fehlen. Die dem Gericht vom Tatort vorliegenden, zusätzlichen Fotos dokumentieren aber zweifelsfrei: Am Boden liegt ein Mann und über ihm kniet ein Polizist. Wie es dazu kam, darüber existieren zwei Varianten. Jene des unten liegenden Tierschützers und jene des oben auf ihm sitzenden Polizisten.

Mögliche "Störung des Gottesdienst"

Es hatte eigentlich als Routinefall begonnen: Der Tierschützer, der sich beim "Verein gegen Tierfabriken" (VGT) engagiert, bekam einen Hinweis auf eine Fasanenjagd in besiedeltem Gebiet am Grazer Stadtrand. Womöglich eine verbotene Sache, in bewohntem Areal darf nicht gejagt werden. Noch dazu Sonntagvormittag, wo Jagen auch wegen möglicher "Störung des Gottesdienstes" untersagt ist, wie Richter Nauta zitierte.

Mit seinem Kollegen hatte sich der Tierschützer jedenfalls auf den Weg nach Graz gemacht und bald eine Gruppe Jäger im Gebiet der Äußeren Ragnitz entdeckt. Sein Kollege informierte die Polizei von der ihrer Meinung nach illegalen Fasanenjagd. In der Folge filmten die VGT-Aktivisten die Jäger, die nun ihrerseits erbost die Polizei informierten. Dann kam es zur Amtshandlung.

Filmen als "Einbruchsvorbereitung"

Zwei Polizisten, darunter der Angeklagte, gingen auf den letztlich festgenommenen Tierschützer zu und verlangten dessen Ausweis. Mit dem Hinweis, das Filmen von Gebäuden könnte einer "Einbruchsvorbereitung" dienen. Der Tierschützer verweigerte und verlangte seinerseits die Dienstnummer des Polizisten.

Ein Wort ergab das andere, dann trennen sich die Wahrnehmungen. Der Polizist gibt an, der Tierschützer habe ihm einen Faustschlag verpasst und am Overall gepackt, er habe ihn dann in der Folge am Boden fixiert. "Absurd", sagte der Tierschützer, "ich habe ihn nicht angegriffen. Er hat mich drei Mal geschlagen und niedergerissen."

"Und warum sind sie dann 20 Minuten auf ihm in der Reiterstellung sitzen geblieben?", will Richter Nauta vom Polizisten wissen. "Weil mein Kollege die Weisung hatte, es soll so bleiben, wie es ist." Bis die Verstärkung kommt. Der Richter versucht den Polizisten zu einem Geständnis zu animieren. Er könne ja sagen, dass er sich durch die ständige Filmerei provoziert gefühlt habe. "Nein", sagt der Polizist trotzig, "es war so, wie ich gesagt habe."

Der Prozess wurde vertagt. (Walter Müller, DER STANDARD, 10.12.2013)