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Der französische Geheimdienst soll nach den Plänen der Regierung mehr Überwachungsmöglichkeiten bekommen.

Foto: epa/langsdon

Im Oktober lud die Regierung in Paris den US-Botschafter vor, um sich über das Anzapfen von 70 Millionen Telefongesprächen durch die NSA in Frankreich zu beschweren. "Solche Praktiken zwischen Partnern verletzen die Privatsphäre", empörte sich Außenminister Laurent Fabius.

Nun eifert die französische Regierung aber selbst der NSA nach. Ihr neues Gesetzesprojekt zur militärischen Langzeitplanung erlaubt es in Artikel 13 diversen Abteilungen der französischen Verwaltung, den Internetverkehr der Bürger zu verfolgen. Betroffen sind nicht Telefongespräche - für das Abhören braucht es weiterhin einen richterlichen Entscheid -, dafür SMS, E-Mails oder Telefonnummern.

Zugriff auf den Inhalt der Telekom-Server haben laut Gesetzestext nicht nur Militärstellen, die Terroristen suchen, sondern auch ganz andere Behörden wie etwa die Finanzverwaltung oder das Budgetministerium, und natürlich auch die Polizei. Eine richterliche Ermächtigung brauchen sie nicht. Einzige Voraussetzung ist, dass das Datensammeln der "Verbrechensvorbeugung" dient. Betroffen sind also jene Bürger, die ein Verbrechen begehen könnten - somit eigentlich alle, die keine Windeln mehr tragen.

Standort jederzeit eruierbar

Das neue Militärgesetz wurde in der Vorwoche von der Nationalversammlung gebilligt. Derzeit liegt es im Senat. Erst jetzt formiert sich Widerstand. Die Internetbranche und besorgte Bürger protestieren lauthals. Der Verband Renaissance Numérique meint: "Nur weil ein Gesetz 'Militärplanung' heißt, bedeutet das noch nicht, dass alle Habachtstellung annehmen müssen!" Die Überwachung reiche bis zur Geolokalisierung, sodass die Behörden den Standort jedes Smartphone-Besitzers jederzeit eruieren könnten.

Die Telekombetreiber wollen auch nicht Hand bieten zu einem Gesetz, das sie ohne richterliches Geheiß zu einer totalen Offenlegung gegenüber den Behörden zwingt. Das Gesetz erlaubt den Behörden eher schwammig die "Inanspruchnahme der Netze". "Schließt das die Möglichkeit ein, einen Schnüffler direkt auf der Antenne zu platzieren?", fragt die Zeitung Le Monde.

Außerhalb der Internetgemeinschaft stoßen solche Warnungen auf erstaunlich wenig Echo. Experten rechnen einzig damit, dass die Kontrollinstanz auf eine höhere Ebene - etwa zum Premier - verlagert wird. Eine richterliche Genehmigung lehnt die Armee weiterhin strikt ab. Dabei hatte der Verfassungsrat bereits 2011 in einem Urteil festgehalten, dass eine ähnlich breite Datensammlung verfassungswidrig sei. Wenn die Parlamentskammern das Gesetz schließlich ohne größere Abstriche annehmen, könnte der Verfassungsrat es teilweise aufheben. Sonst mutiere Frankreich, wie Le Monde befürchtet, zu einer "Orwell' schen Gesellschaft". (Stefan Brändle aus Paris, DER STANDARD, 10.12.2013)