Straßburg - Der Bericht "Rechte auf dem Gebiet der sexuellen und reproduktiven Gesundheit" wurde am Dienstag erneut nicht zur Abstimmung gebracht. Grund dafür war ein Gegenantrag der Europäischen Volkspartei, der mit einer knappen Mehrheit angenommen wurde. Die zuständige sozialistische Berichterstatterin Edite Estrela zeigte sich nach dem Votum empört. Estrala bezeichnete das Abstimmungsergebnis als"Schande" und "Heuchelei".

Lunacek: "Ideologisch motivierte Falschinformationen"

Auch Ulrike Lunacek, Vizepräsidentin der Grünen im Europaparlament, zeigte sich kurz nach der Abstimmung enttäuscht: "Die Ablehnung des Berichts ist ein Schlag ins Gesicht für Frauenrechte. Mit dem Votum beugt sich das Europaparlament dem Druck ultrakonservativer und reaktionärer PolitikerInnen und NGOs." Der Anti-Kampagne sei es mit ideologisch motivierten Falschinformationen gelungen, die Mehrheit des Parlaments auf ihre Seite zu bringen.

Der Gegenantrag der Europäischen Volkspartei erreichte eine knappe Mehrheit von 334 (zu 327) Stimmen. Darin wurde festgehalten, dass die Themen des Berichts nicht im Zuständigkeitsbereich der EU lägen. Aufgrund des Positiv-Votums kann der Bericht nun nicht mehr im Plenum eingebracht werden. 

ÖVP-Abgeordnete votierten gegen Bericht

Gegen den Resolutionsentwurf stimmten auch die ÖVP-Abgeordneten. "Für Fragen des Schwangerschaftsabbruchs, der Familienplanung und der sexuellen Erziehung ist die EU nicht zuständig. Dies ist und bleibt ausschließliche Zuständigkeit der Mitgliedstaaten", betonte die ÖVP-Europaabgeordnete Elisabeth Köstinger. Gegen die Entschließung votierte auch die FPÖ. Deren Europaabgeordneter Franz Obermayr unterstrich in einer Aussendung, die"Förderung der Abtreibungsindustrie in Millionenhöhe ist abzulehnen".

Forderungen des Estrela-Berichts

Im Estrela-Bericht werden unter anderem das Recht auf "sichere und legale Schwangerschaftsunterbrechung" sowie ein obligatorischer altergerechter Sexualkundeunterricht für Buben und Mädchen in der Schule gefordert. Dieser Unterricht müsse "nicht diskriminierende Informationen" enthalten und ein "positives Image" von Homosexuellen, Lesben oder Bisexuellen vermitteln, heißt es in der Entschließung weiter.

Keine Bindung für EU-Länder

Obwohl es sich bei dem Text nur um eine Meinungsäußerung des Europaparlaments handelte, die für die 28 EU-Staaten keinesfalls verbindlich gewesen wäre, löste das Vorhaben bei konservativen Familienverbänden im Vorfeld der Abstimmung Entrüstung aus. In E-Mails und Briefen forderten sie die 766 Europaabgeordneten seit Wochen auf, gegen die Entschließung zu stimmen.

Die vom Frauenausschuss des Europaparlaments erarbeiteten Vorschläge seien der EU und ihrer BürgerInnen "nicht würdig", empörte sich etwa der Präsident der Vereinigung katholischer Familien in Europa (FAFCE), Antoine Renard, in einem Schreiben an die EU-VolksvertreterInnen. Sie verletzten das Recht der Eltern, ihre Kinder nach ihren Überzeugungen zu erziehen. Das eingeforderte "Recht auf Abtreibung" sei ein "heikles Thema, über das es innerhalb der EU keinen Konsens gebe. Kardinal Schönborn verwies noch heute in einem Brief darauf, dass der Bericht "eine Verharmlosung der Abtreibung" und ein "Schritt zu einer verhängnisvollen Normalisierung der Tötung menschlichen Lebens" sei.

Der Präsident der Europäischen Humanistischen Föderation (EHF), Pierre Galand, forderte die Abgeordneten seinerseits auf, sich durch das "massive Spamming bestimmter reaktionärer Organisationen" und die "Agitation" einiger religiöser Gruppen nicht beeindrucken zu lassen.

Bericht passierte bereits Frauenausschuss

Im paritätisch besetzten Frauenausschuss des Europaparlaments hatte der Bericht ein breite Mehrheit gefunden. Bereits am 22. Oktober hätte das große Plenum über den Bericht abstimmen sollen. Nach lautstarken Protesten von Konservativen und Rechtsextremen und aufgeheizten Redeschlachten zwischen GegnerInnen und BefürworterInnen wurde die Vorlage damals allerdings wieder an den Ausschuss zurückverwiesen.

Das Gremium strich daraufhin einige Passagen heraus, etwa die Forderung nach Sexualerziehung "in einer sicheren, tabufreien und interaktiven Atmosphäre zwischen Schülern und Erziehern" oder nach Zugang zu "medizinisch unterstützter Fortpflanzung" für alleinstehende und lesbische Frauen. Wie sich nun herausstellt haben auch diese Zugeständnisse nichts gebracht.  (APA/red, dieStandard.at, 10.12.2013)