Gästen soll das zurückhaltende Interieur aus Teakholz im Erandia Marari Ruhe vermitteln. Nur den Betreibern bereitet die Materialwahl ein wenig Stress, weil draußen die salzige Meeresluft am Edelholz nagt.

Foto: Erandia Marari

Anreise: Flug ab Wien zum Beispiel mit Qatar Airways via Doha nach Cochin. Das Erandia Marari liegt 80 Kilometer südlich von Cochin, der Transfer ist inkludiert.

Unterkunft: ab 100 Euro pro Person inklusive Verpflegung, buchbar über den Veranstalter Neue Wege

Umgebung: Ausflüge bieten sich an zu den berühmten Backwaters, dem Wasserstraßennetz im Hinterland von Alleppey und Cochin.

Grafik: DER STANDARD

as immer wir selbst tun, um unsere Gesundheit zu stärken, ist besser als das, was andere für uns tun." Das lässt sich in jedem Ayurveda-Lehrbuch für Anfänger nachlesen. Scherereien wie Teakholz, dem das Meersalz zusetzt, hätten sie sich demnach besser ersparen sollen. Oder den Ärger, den die Betreuung eines gut 7000 Kilometer von der Heimat entfernten Resorts sonst noch mit sich bringt. Haben sie aber nicht. Ernst Meier, Tierarzt und "Kleintierflüsterer" am bayerischen Ammersee, und seine Frau Angelika Hermann-Meier, Betreiberin einer PR-Agentur, kauften vor sechs Jahren ein Grundstück in der Nähe von Alleppey, im südindischen Kerala. Draufgestellt haben sie eine Anlage mit sechs Bungalows direkt am Meer, die vor einem Jahr als Ayurveda-Resort Erandia Marari eröffnete.

Beide nahmen schon mehrmals selbst Ayurveda-Behandlungen in Indien und auf Sri Lanka in Anspruch, beide betreiben Yoga und beide sind sie Vegetarier - also ganz "typische Bayern". Nun ist es vermutlich nicht die originellste Idee, wenn Bayern ein weiteres Ayurveda-Resort in Kerala eröffnen. Diese indische Provinz weist die höchste einschlägige Dichte überhaupt auf. Was es hier allerdings noch nicht gab, war eine Anlage, die authentisches Ayurveda anbietet, ohne gleich Sanatoriumscharakter zu haben. Das Haus kommt in minimalistischem Stil daher und weitgehend ohne Kolonialzitate, wie sie in indischen Hotels so beliebt sind.

Statt Außenmauern gibt es Fensterläden aus Teakholz, deren Lamellen sich verschieben lassen. Eine traditionelle Bauweise in indischen und arabischen Häusern, wo man immer schon gerne sah, ohne selbst gesehen zu werden. Handwerker aus der Region haben die abertausenden Lamellen ohne Zuhilfenahme von Klebstoff oder Maßband in die Fensterläden eingefügt. Das Interieur ist frei von Schnickschnack: Holz, Glas, Oxid und Granit dominieren. Das Licht, das sich durch die Fensterläden zwängt, treibt in der Reduktion Schattenspiele. Überall im Resort wurden Buddhastatuetten aufgestellt - vielleicht mit dem Hintergedanken, dass der, der die Leere von allem gepredigt hat, wohl der erste Minimalist gewesen sein muss.

Irgendwie ausgeglichen

Die meisten Bungalows liegen am Strand. Das brausende Meer und die aufgeregten Krähen, die ständig in Streitgespräche verwickelt zu sein scheinen, sind nicht abzustellen. Wem das zu viel Aufregung ist, geht zu Dr. Molly und lässt sich etwas gegen schwache Nerven verschreiben. Diese ruhige, würdevolle Dame ist das lebende Beispiel dafür, wie Ayurveda irgendwie doch immer ausgeglichen macht. Und die Betonung liegt auf "irgendwie", denn wie genau das geht, bleibt den meisten ja doch verborgen. Dr. Molly untersucht und befragt jedenfalls alle Neuankömmlinge, deren Behandlung sich aus der allgemeinen Konstitution und Schwachpunkten oder Krankheiten ableitet. Verabreicht werden Massagen, individuelle Diäten und Kräutertinkturen.

Die Ärztin steht dem sogenannten Ayurveda-Ashram vor, einer Anlage mit Behandlungsräumen aus giftfreien Naturmaterialien. Ein Team von acht Masseurinnen und Masseuren arbeitet hier. Männer behandeln die männlichen Gäste, Frauen die weiblichen. Schließlich wird man annähernd nackt bearbeitet, das heißt: bekleidet mit einem eher symbolischen Lendenschurz. Noch vor der Behandlung bleiben die Masseurinnen und Masseure vor einen Altar mit hinduistischen Gottheiten stehen und beginnen zu singen.

Hier der Singsang und Becken, worin, penibel angeordnet, gelbe und orange Blüten schwimmen, dort eine Batterie Räucherstäbchen, deren dünner Rauch sich rasch in der Tageshelle verliert. Selbst spirituell völlig unangehauchte Menschen beginnen dann substanzielle Seinsfragen zu stellen: Wann hat man eigentlich selbst zuletzt Räucherstäbchen angezündet? In den 1970ern und so etwas wie Pink Floyd dazu gehört? Das muss jedenfalls zu einer Zeit gewesen sein, als man noch glaubte, Veränderung und Vergänglichkeit seien Gerüchte. Die nächste Frage: Wozu lässt man sich dann hier überhaupt aufpäppeln und rundumerneuern?

Aber man trottet dann eh brav in den Behandlungsraum und lässt sich gut zwei Stunden lang von zwei Masseuren durchwalken, woran sich nochmals zwanzig Minuten in Ruheposition anschließen - dann Dusche, fertig. Man erlebte ein präzis durchchoreografiertes Ballett aus vier Händen in Kokos- oder Sesamöl. Innerlich vielleicht und äußerlich mit Sicherheit gereinigt, trägt einem der Masseur das Sindur auf, einen Strich aus Sandelholzpulver, der kühlen soll.

Im Schnelldurchlauf O Eine komplette Reinigung und Entschlackung, ein sogenanntes Panchakarma, dauert zwei Wochen. So viel Zeit haben allerdings manche der Gäste nicht oder wollen sie sich nicht nehmen. Stattdessen machen sie einen zweifelhaften Schnelldurchlauf in nur einer Woche, bei der jeder Massagetyp einfach doppelt durchgeführt wird. Das sind etwa: die Ölmassage Abhyangyam, die einen durch sanften Druck in Schwung bringen soll; Choornakizhi heißen wiederum die pflanzlich gefüllten Wickel, mit denen Masseure den ganzen Körper wie mit einem Stempel bearbeiten; und der Stirnguss Shirodara mit warmem Öl, der einen "runterbringen" soll, ist ohnehin als typisches Ayurveda-Werbesujet bekannt.

Auch der Diätplan wird von Dr. Molly individuell zusammengestellt, besteht aber so oder so aus herrlicher südindischer Kost. Jeder bekommt seine eigene Reisschüssel mit wechselnden Zutaten, sein eigenes Appam - Palatschinken auf Reisbasis, sein Idli - Reisknödel, sein Sambar - Linsen- und Gemüse und sein Chutney. Dr. Molly erklärt: "Durch eine auf Ihre Persönlichkeit abgestimmte Ernährung bringen wir Ungleichgewichte wieder ins Lot. Salat oder Joghurt kühlen. Sie sind bei Pitta-Typen, also ohnehin feurigen Kerlen, angezeigt, scharfe Speisen sollten sie hingegen vermeiden. Einem antriebsschwachen Kapha-Typ wiederum könnte man gerade durch Chili auf die Sprünge helfen. Aber Sie, Sie essen bitte Ihr Gemüse, das enthält viel Wasser. Sie sind mir eh ein zu luftiger Vata-Typ!" (Harald Sager, DER STANDARD, Rondo, 13.12.2013)