Man stelle sich vor, Zehntausende protestieren auf einem zentralen Platz und ein Nachrichtensender zeigt eine Dokumentation über Pinguine. So geschehen im Mai dieses Jahres, als die Proteste für den Gezi-Park und gegen die Regierung Erdogan nicht abebben wollten. Der Sender war ein CNN-Franchiseunternehmen, das Land die Türkei. Pressefreiheit ebendort war Dienstagabend Thema im Medienquartett auf Okto mit STANDARD-Korrespondent Markus Bernath.

Die Fragen stellen Rubina Möhring, Präsidentin von Reporter ohne Grenzen Österreich, "Falter"-Chefredakteur Armin Thurnher und Philosophin Herlinde Pauer-Studer.

Drei Erfahrungen habe man mit den Gezi-Protesten gemacht, erklärt Bernath: Erstens der große Gewalteinsatz, zweitens die bis dahin unvorstellbare Erkenntnis, dass man Menschen mobilisieren kann und drittens die gleichgeschalteten Mainstreammedien. Was auf der Straße passiert, was man von Freunden hört, im Internet sieht, dass das "auf den Bildschirmen nicht übertragen wird, war ein Schock, das war den Leuten so nicht klar".

Goldene Mitte

Differenzierter der Zeitungsmarkt. Hier ist die Bandbreite größer, schildert der Türkei-Korrespondent. "Ich sehe das, wenn ich morgens meine Zeitungen kaufe. Die Leute kaufen drei, vier, fünf Zeitungen, das ganze Spektrum, und dann versuchen sie wahrscheinlich, eine goldene Mitte zu finden."

Journalisten entlassen

In den Wochen nach Gezi seien zwei Dutzend Journalisten und Kolumnisten entlassen worden. Wohl auf Druck der Regierung, vermutet Bernath. Auch wenn die Realität anders sei, wollen oder wünschten sich viele der 75 Millionen Einwohner des "sehr dynamischen, sehr jungen" Landes Medien als vierte Macht.

... und inhaftiert

Dabei gilt die Türkei als eines der größten Journalistengefängnisse der Welt. 65 Journalisten sind derzeit im Namen des Antiterrorgesetzes inhaftiert, sagt Rubina Möhring, Moderatorin und Präsidentin von Reporter ohne Grenzen Österreich.

Zwei Drittel der verhafteten und verurteilten Journalisten sind laut Bernath Kurden oder für kurdische Medien arbeitende Journalisten. Das restliche Drittel seien Journalisten, die mit linksextremen Gruppen zu tun haben oder angeblich zu tun haben. Kurdischen Journalisten werde eine Nähe zur Untergrundarmee PKK nachgesagt. "Dann reicht es eben schon, dass der Staatsanwalt sagen kann, mit ihrem Artikel haben sie irgendeine Tat der PKK verherrlicht."

Derzeit gibt es einen Friedensprozess mit der PKK. "Wenn sich die Türken und Kurden wieder versöhnen, gehen die Gefängnistore wieder auf und zwei Drittel der Journalisten werden entlassen", fragt Armin Thurnher vom "Falter". "Es ist schwer vorstellbar, dass man einen kurdischen Journalisten verhaftet, in Untersuchungshaft nimmt, wegen irgendeinem konstruierten oder nicht konstruierten Vorwurf, er würde mit der PKK in Verbindung stehen." (Sabine Bürger, derStandard.at, 10.12.2013)