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Reinhold Mitterlehner, bisher nur für Wirtschaft zuständig, soll künftig auch die Wissenschaftsagenden übernehmen.

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Rektoren-Chef Heinrich Schmidinger startet einen Hilferuf an Bundespräsident, SPÖ und Industrie.

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Die Kritik an der Auflösung des Wissenschaftsministeriums ist groß. Die Rektoren haben in einer Aussendung an Bundespräsident Heinz Fischer appelliert, eine Regierung ohne einen eigenen Wissenschaftsminister nicht zuzulassen. Der Chef der Universitätenkonferenz, Heinrich Schmidinger, hält die Entscheidung, das Ministerium ins Wirtschaftsministerium zu integrieren für ein "fatales Signal, das international nur auf Unverständnis und Kopfschütteln stoßen wird".

Hilferufe gehen auch an die SPÖ und "unsere Partner und Freunde in der Wirtschaftskammer und in der Industriellenvereinigung."

"Wenn schon von den ÖVP-Granden, die sich bisher ganz anders geäußert haben, keine Einsicht zu erwarten ist", appelliert Schmidinger an den Koalitionspartner SPÖ, für den Erhalt des Wissenschaftsministeriums einzutreten. Die SPÖ zeige "so viel Entschlossenheit, wenn es um einzelne Reizthemen der Hochschulpolitik geht".  Sie habe jetzt Gelegenheit zu demonstrieren, dass sie dieselbe Entschlossenheit aufbringe, wenn der ganze Hochschulsektor Österreichs ins Abseits gestellt wird." Von Wirtschaftsseite wandte sich der uniko-Chef explizit an Wirtschaftskammer-Chef Christoph Leitl und Industriellenvereinigungs-Präsident Georg Kapsch und bat sie, "nicht zuzulassen, dass Wissenschaft und Forschung als die entscheidenden Zukunftsbereiche unserer Gesellschaft zur Nebensache degradiert werden".

Töchterle: "Ganz schlecht für viele in der Wissenschaft"

Auch der scheidende Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle ist von der Auflösung seines Ressorts naturgemäß nicht begeistert.  "Ich sehe jetzt schon, dass die Symbolik ganz schlecht ist für viele in der Wissenschaft."

Wissenschaft und Forschung seien kein unbedeutender Teil der Stärke Österreichs. "Jetzt zu sehen, dass das nur eine Appendix in einem anderen Ministerium ist, wird viele schmerzen", so Töchterle.

Seinen Nachfolger als Verantwortlichen für die Wissenschaft, Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP), schätzt Töchterle persönlich. "Aber natürlich hat er bei weitem nicht die Expertise, die ich hatte. Das ist aber klar, ich war ja Jahrzehnte an der Uni tätig und lange Rektor." Wenn er sich gute Leute hole, könne man das kompensieren. "Wenn man meint, dass ein Minister nicht nur Repräsentant ist, sondern jemand, der Dinge auch verstehen muss, muss er sehen, dass er sich Expertise holt."

Faulhammer: Entscheidung ist bedauerlich

Auch für Friedrich Faulhammer ist die Auflösung des Wissenschaftsministeriums in der neuen Regierung bedauerlich. "Die Wissenschaft bekommt damit nicht den Stellenwert, die sie in Österreich haben sollte", sagt der langjährige Generalsekretär im Wissenschaftsministerium und jetzige Rektor der Donau-Universität Krems im Gespräch mit derStandard.at.

Die Zusammenlegung mit dem Wirtschaftsressort ist für ihn aber nicht unbedingt schlecht. In seiner Zeit im Ministerium habe man sich immer um eine gute Zusammenarbeit mit dem Wirtschaftsressort bemüht. "Hier könnte Potenzial sein, insgesamt ist die Entscheidung aber trotzdem schade."

Die Symbolik dieser Entscheidung sei nicht zu unterschätzen. "Es geht um die politische Sichtbarkeit, es gibt dann keine Person mehr, die fokussiert für die Wissenschaftsagenden eintritt." Eine Person müsse dann ihre Aufmerksamkeit teilen. "Die Zeit, die für Wissenschaft aufgewendet werden kann, wird weniger."

Schon zwei Mal ausgegliedert

Ein eigenständiges Wissenschaftsministerium wurde 1970 unter der Regierung von Bruno Kreisky (SPÖ) gegründet. Bis dahin war es am Unterrichtsministerium angegliedert gewesen. Seither gab es aber zwei Mal eine Angliederug der Agenden an andere Ministerien.

Faulhammer hat selbst schon einige dieser Umstellungen im Wissenschaftsministerium miterlebt. In den 90er Jahren war das Ministerium mit dem Verkehrsministerium zusammengelegt worden. Von 2000 bis 2007 waren die Bildungs- und Wissenschaftsagenden im einem gemeinsamen Ressort verortet.  "Damals wurden zwei  eigene Bereiche definiert", erklärt Faulhammer die Situation damals. Diese hätten dann relativ selbständig gearbeitet, unter der Klammer des damaligen Ministers bzw. der Ministerin. Faulhammer geht davon aus, dass das auch bei dieser Regierung der Fall sein wird. "Später kann es dann zu einer stärkeren Verschränkung innerhalb des Ministeriums kommen."

Bast distanziert sich

Gerald Bast, Vizepräsident der Universitätenkonferenz und Rektor der Universität für angewandte Kunst, hat sich mittlerweile vom Appell Schmidingers distanziert. "Den Bundespräsidenten aufzufordern, die Regierung nicht anzugeloben, halte ich für eine übertriebene und juristisch nicht fundierte Position", sagte Bast.

"Dass es enttäuschend ist, dass es kein eigenes Ressort mehr gibt, steht außer Frage." Entscheidend sei aber, was jetzt politisch gemacht werde. "Ich glaube, dass die neue Regierung und auch der neue Minister massiv in die Pflicht genommen werden müssen." Die Universitätenkonferenz sei bereit, ihn "trotz des eher sehr bescheidenen Regierungsprogramms im Bereich Wissenschaft, Forschung und Kunst dabei voll zu unterstützen", so Bast. "Wir appellieren an ihn, sich rasch mit der uniko zusammenzusetzen und Zukunftsstrategien zu entwickeln."

ÖH: "Wir sehen uns auf der Straße wieder"

Auch die Österreichische HochschülerInnenschaft (ÖH) zeigte in einer Aussendugn sich verärgert über die Übertragung der Wissenschaftsagenden ins Wirtschaftsressort: "Wir sehen uns auf der Straße wieder." Eine Fusion von Wissenschaft und Wirtschaft werde dazu führen, "dass die Ökonomisierung der Bildung auch in den nächsten Jahren weitergehen wird", so ÖH-Chef Florian Kraushofer.

Studenten verabschieden Resolution

Die ÖH hat bei ihrer Bundesvertretungs-Sitzung einstimmig eine Resolution gegen die Zusammenlegung des Wissenschafts- und Wirtschaftsministeriums verabschiedet (siehe Download rechts). "Mit der Entscheidung, die Hochschulagenden an das Wirtschaftsministerium zu übertragen, hat die Regierung gezeigt, wo ihre Prioritäten liegen", heiß es darin. Die Hochschülerschaft fordert die Regierung auf, die Anforderungen und Probleme der Hochschulen "endlich ernst zu nehmen". "Es kann nicht sein, dass die Hochschulpolitik ins Hintertreffen gerät." Dafür brauche es ein Bekenntnis zur Ausfinanzierung der Hochschulen, bessere Betreuungsverhältnisse und eine Reform des Beihilfensystems. Außerdem hat die ÖH beschlossen, am Dienstag, 17. Dezember, zu demonstrieren.

Petition der Universitätsprofessoren

Auch unter den Universitätslehrenden formiert sich der Widerstand. In einer Petition, die derStandard.at vorliegt fordern über 30 Erstunterzeichner eine "ensprechende Vertretung in der Regierung" sowie mehr Budget. Darin heißt es unter anderem: "Die Abschaffung des Wissenschaftsministeriums ist ein deutliches Zeichen dafür, dass Forschung und Lehre in Österreich nicht die Unterstützung haben, die für ihren Beitrag zur Zukunft des Landes notwendig ist." Und "Wir fordern, dass Forschung und Lehre den Stellenwert bekommen, der für Wissenschaft auf höchstem Niveau, für bestmögliche Ausbildung und die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses erforderlich ist. Dies muss sich auch in einer entsprechenden Vertretung in der Regierung, in ausreichenden Zuständigkeiten in der Verwaltung und in einer höheren budgetären Dotierung ausdrücken".  (burg, lai, derStandard.at/APA, 13.12.2013)