Allein auf weiter Flur? Wissenschaftliche Studien stufen die gegenwärtige Wohnbauförderung als "umweltkontraproduktiv" ein. Das liegt nicht zuletzt an der Mitförderung des Individualverkehrs.

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Regierungsbildungen sind ebenso wie die regelmäßigen Finanzausgleichsverhandlungen zwischen Bund und Ländern Zeiten politischer Weichenstellungen. Nicht so sehr, weil um Inhalte gefeilscht werden würde - nein, es kommt hier gehäuft zum unseligen Kuhhandel um Gelder und Kompetenzen. Ein Trend der letzten Legislaturperioden war dabei, dass die Länder vom Bund mehr und mehr Einfluss erpressten, obwohl Österreich angesichts einer immer größeren EU und zunehmend leerer Kassen längst am Rückbau seines überzogenen Föderalismus arbeiten sollte. Ein Paradebeispiel für die Verländerung gesamtstaatlicher Agenden und die ab diesem Zeitpunkt faktische Unmöglichkeit ihrer Reform ist die Wohnbauförderung.

Mittelstandsförderung

Ein Prozent des Bruttolohns, je zur Hälfte aufgeteilt auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer, wird vom Fiskus als Wohnbauförderungsbeitrag einbehalten. Und fast jeder Häuslbauer, Käufer oder Mieter einer Neubauwohnung bekommt auch etwas davon zurück: An die 80 Prozent des heimischen Wohnbaus werden durch Wohnbauförderung kofinanziert. Hinzu kommen Subventionen für die Sanierung von Altbauten. Damit hat sich die Sozialleistung "Wohnbauförderung" längst zu einer Mittelstandsförderung entwickelt - mit dem Effekt, dass der hohe Anteil an geförderten Wohnungen auf das Wohnungspreisniveau vor allem in den Ballungsräumen dämpfend wirkt und das Leben in den Zentren hierzulande nach wie vor günstiger ist als in vergleichbaren Ländern.

So erhielten die Landesfürsten mit der Verlagerung der Wohnbauförderung vom Bund auf die Länder Ende der 1980er-Jahre ein populäres Instrument, um sich als Unterstützer junger Familien, als Garanten erschwinglichen Wohnens und als Förderer des Jobmotors Bauwirtschaft zu profilieren. Allerdings konnten manche der Versuchung nicht widerstehen, die ihnen ebenfalls zugefallenen Forderungen gegenüber den Darlehensnehmern zur kurzfristigen Budgetsanierung oder - wie im Fall Niederösterreichs - für spekulative Veranlagungen zu veräußern, auf dass ihnen die Rückflüsse fortan nicht mehr zur Verfügung standen.

Wo sind die Fördermittel?

Im Zuge des Finanzausgleichs 2008 erwirkten die Länder schließlich die schon jahrelang forcierte Aufhebung der Zweckbindung der Wohnbauförderung. Sprich: Es steht ihnen seither völlig frei, wofür sie die im Namen des sozialen Wohnbaus eingenommenen Steuergelder ausgeben. So finden heute bei weitem nicht mehr alle Fördermittel, die der Bund den Ländern überweist - knapp 900 Millionen Euro per anno aus der Lohnbesteuerung und in etwa dieselbe Summe aus weiteren Bundeszuschüssen - tatsächlich auch im Wohnbau Verwendung, ganz zu schweigen von den stetig sinkenden Rückflüssen aus bereits vergebenen Wohnbaudarlehen.

Noch schwerer als diese finanzpolitische Willkür wiegt die siedlungspolitische Verantwortungslosigkeit, mit der die insgesamt rund 2,7 Milliarden Euro pro Jahr eingesetzt werden. Mangels Koppelung an städtebauliche, raumplanerische und verkehrspolitische Ziele hat die Wohnbauförderung in den letzten vier Jahrzehnten massiv zur Suburbanisierung unserer Städte beziehungsweise zur Zersiedlung unserer Kulturlandschaft beigetragen.

Während für ihre Vergabe in Sachen Heiz- und Haushaltsenergieeffizienz eines Hauses längst strenge Auflagen bestehen, spielen Bodenverbrauch, Standorteignung und Erschließungsqualität nach wie vor kaum eine Rolle. Dabei kann ein noch so gut gedämmtes Haus mit fortschrittlichster Haustechnik niemals jene Energie einsparen, die bei Abhängigkeit des Wohnstandorts von einem Auto für die Mobilität der Bewohner aufgewendet wird - erst recht nicht, wenn ein Haushalt zwei oder drei Pkws benötigt. Insofern verwundert es nicht, dass wissenschaftliche Studien die gegenwärtige Wohnbauförderung als "umweltkontrapoduktiv" einstufen.

Teuerste Siedlungsform

Denn die Wohnbaupolitik unterscheidet kaum zwischen einem freistehenden Einfamilienhaus auf 1000 Quadratmetern Grund fernab jeglicher Infrastruktur und einem Reihenhaus auf 250 Quadratmetern in zentraler Lage. Die einzige nennenswerte Ausnahme stellt hier das Land Tirol dar, dessen Wohnbauförderung angesichts der topografisch bedingten Baulandknappheit auf eine bodensparende Siedlungsentwicklung abzielt und verdichtete Bauweisen auf Grundstücken von maximal 400 Quadratmetern belohnt: Während die herkömmliche Eigenheimförderung je nach Haushaltsgröße bei 21.000 bis 34.000 Euro liegt, kann das Förderdarlehen bei Verbauung einer Parzelle von nur 200 Quadratmetern bis zu 123.000 Euro betragen.

Fakt ist: Freistehende Einfamilienhäuser dürften eigentlich gar nicht mehr gefördert werden. Schließlich handelt es sich dabei - allein schon wegen der enormen öffentlichen Erschließungs- und Erhaltungskosten für Straße, Wasser und Kanal - um die volkswirtschaftlich teuerste Siedlungsform überhaupt. Jede weitere Subvention einer ineffizienten Verbauung an der Peripherie konterkariert das Ziel kompakt bebauter Zentren.

Geschieden und verwaist

Auch in sozialer Hinsicht ist das Häuschen im Grünen alles andere als nachhaltig: Sogenannte Scheidungshäuser, die für keinen der beiden getrennten Ehepartner mehr leistbar sind, offenbaren die zeitliche Beschränktheit des Glücks in dieser Wohnform ebenso, wie zigtausende alte Menschen, die - alleinstehend - nicht nur überfordert sind, ein ganzes Haus instand zu halten, sondern vor allem auch darin vereinsamen.

Freilich steht es auch im städtischen Raum nicht immer zum Besten um die Förderpolitik. Die unsäglichsten Wiener Wohnbau- und Stadtentwicklungsprojekte der letzten zwei Jahrzehnte wurden maßgeblich durch Wohnbaufördermittel ermöglicht - seien es Wienerberg-City, Monte Laa, Gasometer-City oder Wohnpark Alte Donau. Daneben gibt es in den Stadterweiterungsgebieten dutzende banale, monofunktionale Wohnquartiere.

Dies zeigt, dass es für die Vergabe der Fördermittel deutlich besserer Qualifizierungsinstrumente bedarf, als dies bisher der Fall war. Für die Zukunft ist zu klären, ob im Sinne der sozialen Treffsicherheit der Wohnbauförderung im städtischen Wohnbau auch weiterhin Eigentumswohnungen subventioniert oder ob die immer knapperen Gelder auf den Bau von Miet- und Genossenschaftswohnungen konzentriert werden sollen.

Förderung als Werkzeug

Ebenso denkbar wäre, die Förderung auf gemeinnützige Wohnbaugesellschaften sowie Baugruppen zu beschränken - und gewerbliche, gewinnorientierte Bauträger auf den freien Markt zu entlassen. Gleichzeitig müssten die Ziele der Wohnbaupolitik mit jenen der Stadtplanungs- und Verkehrspolitik akkordiert werden, denn nur eine nachhaltige Stadtentwicklung ermöglicht hohe Wohn- und Lebensqualität in den Ballungsgebieten.

Jedoch: Wie groß die Widerstände gegen eine zukunftsorientierte Wohnbauförderung sind, zeigt allein das bisherige Scheitern aller Forderungen, die Zweckbindung der Fördermittel wiederherzustellen. Was Architekten-, Arbeiter- und Wirtschaftskammer, Wohnbauträger, Gewerkschaften und Bausparkassen inzwischen unisono fordern, prallt an den Platzhirschen des österreichischen Provinzialismus ungerührt ab.

Niederösterreichs Finanz- und Wohnbaulandesrat Wolfgang Sobotka etwa wird nicht müde zu betonen, dass er sich ganz bestimmt nicht dreinreden lasse, wofür er die Wohnbaufördergelder verwende. Damit offenbaren er und seinesgleichen eine demokratische Kultur, die einen grundlegenden Gesinnungswandel nicht nur in der Wohnbaupolitk überfällig macht. (Reinhard Seiß, DER STANDARD, 14.12.2013)