Wenn in der Schweizer Literatur einer in die Berge geht, nimmt das selten ein gutes Ende. Meist findet der Gipfelstürmer in der Höhe und im "eisigen Atem des Alleinseins" zuerst sich selbst - und dann den Tod. In Klaus Merz' Novelle Los ist das so, in Frischs Erzählung Antwort aus der Stille und Ludwig Hohls Bergfahrt nicht anders. Und es ist kein Zufall, dass der junge Schweizer Autor Roman Graf seinem zweiten Roman Niedergang ein Zitat von Ludwig Hohl voranstellt, jenem immer noch zu unbekannten Autor, von dem Dürrenmatt sagte: "Andere haben ihre Mätressen. Ich habe Hohl."

In 26 Stationen erzählt der 1978 geborene Graf in der Er-Form vom in Berlin lebenden André, der sich in der Schweizer Heimat anschickt, gemeinsam mit seiner deutschen Freundin Louise einen Berg zu bezwingen. Der Aufstieg ist anspruchsvoll, und es stellt sich heraus, dass sich Louise den Trip anders vorgestellt hat. André hingegen will unbedingt oben ankommen. Und sei es ohne Louise, die ihm zunehmend auf die Nerven geht. Man steigt höher, die Luft wird dünn, und vor dem Gipfel wartet eine überhängende Felswand, deren Bewältigung man als großes Finale geplant hat. An seiner Oberfläche scheint dieser vertikal in die Höhe des Berges und horizontal zurück in Andrés Vergangenheit strebende Roman ruhig, in seinem Untergrund aber lauern Abgründe. Nicht nur solche des Herzens. (Stefan Gmünder, Album, DER STANDARD, 14./15.12.2013)