Alexa Wesner, Botschafterin: "Es gibt auch legale Wege, wie Whistleblower sich outen können."

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STANDARD: In Europa haben die USA durch die NSA-Affäre viel an Vertrauen eingebüßt. Wie wollen sie es zurückgewinnen?

Wesner: Die Betroffenheit und die Diskussionen darüber gibt es auch in den USA. Präsident Barack Obama nimmt die Sache nicht auf die leichte Schulter und hat umfangreiche Untersuchungen eingeleitet. Die Balance zwischen Sicherheit und Privatsphäre ist eine Gratwanderung, und sie ist auf beiden Seiten des Atlantiks eine Herausforderung.

STANDARD: NSA-Chef Keith Alexander beharrt darauf: Es gebe keinen besseren Weg, um die USA zu schützen. Also business as usual?

Wesner: Die Untersuchungen laufen noch, und die Schlüsse sind noch nicht gezogen. Wichtig ist in meinen Augen Alexanders Information, dass nur Metadaten gespeichert werden, nicht Inhalte.

STANDARD: Erwarten Sie nachhal­tige Änderungen in der Praxis?

Wesner: Da kann ich nur spekulieren, aber ja, ich denke, dass sich etwas verändern wird. Techno­logischer Fortschritt und Inno­vation gehen manchmal schneller als ihre Regulierung. Natürlich sind wir auf die Menschen angewiesen, die darauf hinweisen, dass sie sich unwohl fühlen.

STANDARD: US-Gesetze gelten aber nicht für die Weltbevölkerung ...

Wesner: Das erkennt die US-Regierung natürlich und nimmt das ernst. Aber auch die Regierungen in Europa sehen die Wichtigkeit geheimdienstlicher Aktivitäten. Diplomaten und Geheimdienste weltweit beschäftigen sich derzeit, gemeinsam mit den USA, mit dieser Problematik. Ich darf an dieser Stelle den US-Präsidenten zitieren: "Nur weil etwas technisch möglich ist, heißt das nicht, dass es richtig ist."

STANDARD: Allerdings musste erst jemand wie der Whistleblower Edward Snowden kommen, um die Missstände sichtbar zu machen ...

Wesner: Es gibt auch legale Wege, wie Whistleblower sich outen können, ohne Vergeltungsmaßnahmen befürchten zu müssen. Dafür existieren auch genügend Beispiele. Diese legalen Möglichkeiten hat Edward Snowden leider nicht genutzt. Schade.

STANDARD: Vielleicht hatte er einfach kein Vertrauen in das System?

Wesner: Das weiß ich nicht.

STANDARD: Wegen der NSA-Affäre könnte es in Bezug auf das geplante EU/USA-Freihandelsabkommen zu Verzögerungen kommen ...

Wesner: Alles ist auf Schiene: Die dritte Verhandlungsrunde beginnt jetzt in Washington. Beide Seiten haben versichert, dass diese Affäre die Gespräche nicht negativ beeinflussen darf. Es steht einfach zu viel auf dem Spiel. Alle beide wollen diesen Vertrag, und zwar schnell. Wir werden ihn vor­antreiben, weil er notwendig ist.

STANDARD: Haben Sie bereits Politiker aus Österreich getroffen?

Wesner: Ich bin ein, zwei Wochen vor der Nationalratswahl hier eingetroffen. Es war interessant, die Wahl und die Koalitionsverhandlungen live zu verfolgen. Außenminister Sebastian Kurz habe ich allerdings noch nicht getroffen.

STANDARD: Wie sehen Sie Österreich? Keine Klischees, bitte ...

Wesner: Keine Sorge. Ich war sehr aufgeregt, als ich erfuhr, dass ich nach Österreich komme. Das hat wohl auch mit meiner Herkunft, nicht weit von hier, aus Deutschland zu tun. Die USA und Österreich sind großartige Partner. Ich möchte mich mit meinem Background als Unternehmerin einbringen. Es ist sehr interessant, zu sehen, wie hier Entrepreneurship betrieben wird. Und zudem ist Österreich eine einzigartige Basis für so viele Aktivitäten in Osteuropa. Das meine ich auch sicherheits- und stabilitätspolitisch. Österreich hat nach wie vor großen Einfluss in Osteuropa.

STANDARD: In den USA werden nicht nur Karrierediplomaten Botschafter, sondern auch Personen wie Sie, die zuvor keine diplomatische Erfahrung hatten. Reicht das als Qualifikation aus?

Wesner: Es ist kein Zufall, dass viele US-Botschafter in Europa, auch ich, Geschäftsleute sind. Erfahrungen aus der Wirtschaft einzubringen ist ein wichtiger Bestandteil meines Jobs hier. Ich bin sicher: Es ist die Mischung verschiedener Qualifikationen, die den Erfolg ausmacht. Hätten alle den gleichen Hintergrund, würde das System nicht so gut funktionieren. (Manuela Honsig-Erlenburg und Gianluca Wallisch, DER STANDARD, 17.12.2013)