Nachdem die professionellen Wutschreiber ihre Erregungen pflichtgemäß abgesondert haben, erscheint es allmählich angebracht, die im parteipolitischen Konglomerat aufgeheizte Wissenschafts- und Forschungs-, letztlich Kultur- und Bildungsdebatte einer gelasseneren Sichtung zu unterziehen.

Unbestreitbar ist, dass der Forschungs- und Wissenschaftsbereich und mit ihm der Kunst-, Kultur- und der Technologiebereich unter einer ministeriellen Einheit geführt werden müsste. Das hieße, Österreich eine Zukunftsagenda mit höchstrangigem Stellenwert zu geben. Das allerdings wäre ein Paradoxon zur kultur- und gesellschaftspolitischen, auf Beharrung ausgerichteten Verfasstheit des Landes.

Genau das ist das Credo der beiden Regierungsparteien und repräsentativ für ihr Verständnis des Regierungsauftrages: Prolongierung des Services zur umfassenden Ruhigstellung Österreichs. Damit stimmt die neue Bundesregierung mit der alten überein und kommt damit dem allgemeinen Konsens über die zunehmende Bedeutungslosigkeit von Wissenschaft und Forschung, Bildung, Kunst und Kultur in diesem Lande nach (siehe Bildungsvolksbegehren, siehe Bildungsmisere, siehe ungelöste Studiengebührenfrage, siehe die Ergebnisse des Pisa-Tests etc.).

Dieser konsensualen Absage an jegliche Form von geistiger Zukunftsvorsorge, von Änderung des Status quo ist weder durch die gesellschafts- und wirtschaftspolitische Faktenlage noch durch Fachkompetenz, Argumente oder Wutschreiberei beizukommen.

Wie die Regierungserklärung zeigt, können diese Veränderungsresistenz nur noch gemeine Zufälle "entfesseln" wie jener der Zuschlagung des Wissenschaftsministeriums an das Wirtschaftsministerium. Die veröffentlichten einhellig negativen Kritiken an dieser Maßnahme haben zweifellos ihre Berechtigung, solange sie sich auf die Gefährdung der wissenschaftlichen Freiheit und deren Vereinnahmung durch die Interessen der Wirtschaft berufen. Aber als umfassende Kritik an der Maßnahme greifen sie zu kurz.

Von der Kritik mit Blick auf die realen Verhältnisse wird die Führungsrolle der Wirtschaft - ob es uns passt oder nicht - gegenüber allen anderen gesellschaftlichen Teilbereichen außer Acht gelassen. Für die Kritiker wie Akteure der Wissenschafts- und Forschungsgemeinde wäre es angezeigt, in der Veränderung auch eine, wie ich meine, einmalige Chance zu sehen. Bedauerlicherweise haben die Kritiken anderes zum Ziel. Aus analoger Veränderungsresistenz wird gegenüber der Politik das sakrosankte Atout von der Freiheit der Wissenschaft, Forschung und Lehre in Stellung gebracht. Statt in der von der Politik initiierten, unbeabsichtigten Symbiose zwischen Wirtschaft, Politik und Wissenschaft eine Chance zu sehen und auch die Mittel für eben diese Freiheit von Wissenschaft und Forschung einzufordern, zu ergreifen und produktiv zu machen, wird sofort dagegen gehalten.

Statt im Wirtschaftsressort - beim Anstellen um Drittmittel hat man wohl nichts daran gefunden, im besagten Ministerium auch im Namen der Freiheit der Wissenschaft vorstellig zu werden - die Schnittstelle zwischen beiden Domänen und die Wissenschaft auf Augenhöhe und nicht als Bittsteller zu begreifen, wird mit besagtem Freiheitsatout jede Form von Veränderung abgeschmettert. (Richard Kriesche, DER STANDARD, 17.12.2013)