Wer in Österreich von Armut betroffen ist.

Grafik: Der Standard

Wien – Die Situation der Menschen, die in Österreich in Armut oder an der Schwelle dazu leben, ist klarer erfasst als bisher. Denn die SILC-Erhebung 2012 zu Einkommen und Lebensbedingungen fußt erstmals auf Verwaltungsdaten wie Arbeitslosengeld oder Familienleistungen. Bisher waren dazu Befragungen durchgeführt worden, bei denen Personen mit niedrigen Einkommen dazu tendieren, die Summe, die sie zum Leben haben, aufzurunden, wie Konrad Pesendorfer von der Statitistik Austria am Dienstag bei der Datenpräsentation erläuterte.

Das klarer umrissene Bild zeigt: Die Anzahl der Menschen im Land, die von Armut oder Ausgrenzung gefährdet sind, ist höher als bisher angenommen: 1,5 Millionen Menschen sind davon betroffen. 2011 war man von 1,4 Millionen ausgegangen, rückgerechnet wurde diese Zahl auf fast 1,6 Millionen korrigiert. Außerdem zeigt sich eine größere Einkommensungleichheit als bisher.

1090 Euro oder weniger

Als armuts- oder ausgrenzungsgefährdet gilt ein Haushalt dann, wenn er von mindestens einer der folgenden drei Gefährdungslagen betroffen ist: Das kann Armutsgefährdung sein, erhebliche materielle Entbehrungen oder Personen in gänzlich oder nahezu erwerbslosen Haushalten. Als armutsgefährdet gelten Menschen, die alleinlebend 1090 Euro im Monat zur Verfügung haben. 327 Euro werden dazu gezählt, wenn sie mit einem Kind unter 14 Jahren zusammenleben. Für jeden weiteren Erwachsenen in einem Haushalt rechnet man 545 Euro Einkommen dazu. 411.000 Personen sind von mehreren der Gefährdungslagen betroffen. Insgesamt sind 1,2 Millionen Menschen in Österreich armutsgefährdet. 2011 war die Zahl laut Rückrechnung in etwa gleich hoch, man ging damals aber noch von rund einer Million aus.

Frauen öfter betroffen

Besonders gefährdet von Armut sind Alleinerziehende (39 Prozent), die zu 18 Prozent auch von einer Mehrfachbelastung betroffen sind. Alleinlebende Frauen und Personen mit nicht-österreichischer Staatsbürgerschaft sind noch stärker armutsgefährdet als die Gruppe der alleinlebenden Männer ohne Pension (29 Prozent), auf die auch schon die Frauen mit Pension (28 Prozent) folgen. Ein ebenso großer Anteil betrifft Familien mit drei oder mehr Kindern. Außerdem ist jeder fünfte Unter-19-Jährige ist von Armut oder sozialer Ausgrenzung gefährdet.

Österreich liegt bei der Armutsgefährdung unter dem EU-Schnitt, aber auch deutlich über dem Schnitt Tschechiens (9,6 Prozent) und der Niederlande (10 Prozent). In Tschechien geht man allerdings von einem deutlich niedrigeren Schwellenwert für Armutsgefährdung aus: Er liegt für das durchschnittliche Median-Haushaltseinkommmen bei 4675 Euro im Jahr, in Österreich beträgt der Wert 13.084 Euro.

Maßnahmen im Koalitionspapier

Hans Steiner vom Arbeits- und Sozialministerium wies darauf hin, dass die neuen Zahlen für das Ministerium wichtig seien – allerdings seien sie bei Ausarbeitung des Koalitionspapiers noch nicht vorgelegen. Dennoch sieht Steiner im Regierungsprogramm "eine Reihe von Maßnahmen zur Armutsbekämpfung“: dass es bei Sozialleistungen keine Kürzungen gebe, Verbesserungen bei Familienleistungen sowie bei der Mindestsicherung.

Martin Schenk von der Armutskonferenz erkennt im Koalitionspapier positive Ansätze, vermisst aber eine Reform des Privatkonkurses und ein Anwaltssystem für Menschen, die ganz unten im sozialen Netz sind. Die Diakonie Österreich fordet in Hinblick auf die oft schwierige finanzielle Lage alleinstehender älterer Personen eine Valorisierung des Pflegegeldes. Die Caritas vermisst beispielsweise eine deutliche Senkung der Lohnnebenkosten. (Gudrun Springer, DER STANDARD, 18.12.2013)