Simon Singh: "Homers letzter Satz. Die Simpsons und die Mathematik". 22,10 Euro, 256 Seiten, C. Hanser 2013

Cover: C. Hanser

Dass die TV-Zeichentrickserie Die Simpsons lehrreichen Bücherstoff abgibt, lässt sich in einigen einschlägigen Werken aus den vergangenen Jahren nachlesen: in Die Simpsons und die Philosophie (2007) etwa, in Bart trifft Gott. Das Evangelium und die Simpsons (2009) oder in Schule ist was für Versager. Was wir von den Simpsons über Physik, Biologie, Roboter und das Leben lernen können (2008).

Diese Bücher haben den britischen Wissenschaftsjournalisten Simon Singh nicht abgehalten, die Simpsons zum Aufhänger noch eines Bandes zu machen - diesmal geht es um Mathematik.

Singh, der durch den Bestseller Fermats Letzter Satz (2000) international bekannt wurde, begründet sein Unterfangen damit, dass die Beziehung zwischen den Simpsons und der Mathematik eine ganz besondere sei und auf die Liebe der Autoren der Serie zur Mathematik zurückgehe - schließlich haben alle mindestens einen Bachelor in Mathematik. Und um mehr über die Hintergründe der Serie zu erfahren, hat Singh die Autoren in Los Angeles besucht und dabei aufschlussreiche Informationen erhalten.

So etwa die Antwort auf die Frage, warum die Macher der Serie sich für Zeichentrick anstatt für reale Menschen entschieden haben. In den Worten von Al Jean, eines Autors der ersten Stunde: "Trickfilm ist wie reine Mathematik, weil man über jede Zeile die volle Kontrolle hat, wie sie gesprochen wird."

Tatsächlich scheinen die Macher der Serie Perfektionisten zu sein. Selbst in Einstellungen, die nur einige Sekunden andauern, haben sie komplexe mathematische Probleme eingebaut, Singh nennt sie die "Standbild-Gags".

Es sind Witze, die man nur versteht, wenn man das Bild anhält, und auch dann wird es in meisten Fällen nur mit viel mathematischem Hintergrundwissen gelingen, die Gags zu erfassen, beispielsweise, was Baseball mit der Euler'schen Formel gemeinsam hat. Oder warum die Zahl 1729, die sowohl bei den Simpsons, als auch in der Serie Futurama gleich mehrmals auftaucht, eng mit einem Londoner Taxi in Verbindung steht und darüber hinaus in der Mathematik eine besondere Rolle spielt.

Viele Detailbeobachtungen sind aber durchaus gelungen: So etwa stellt Singh einen Zusammenhang zwischen der Fingeranzahl der Simpsons und dem mathematischen Dezimalsystem her. Während Homer & Co wie die meisten Comic-Charaktere aus zeichnerisch-ästhetischen Gründen nur über vier Finger an jeder Hand verfügen, rechnen sie doch im Dezimal- und nicht etwa im Oktalsystem, das der gesamten Anzahl ihrer Finger entspräche. Der einzige, der hier zehn Finger hat, ist die Figur von Gott, die bei den Simpsons tatsächlich mehrmals auftaucht.

Dass Singh in Homers letzter Satz die eine oder andere mathematikgeschichtliche Anekdote aus Fermats Letzter Satz wiederverwertet, stört nicht weiter, sind die Geschichten doch lehrreich und gleichzeitig kurzweilig. So erfahren wir im Kapitel "Jenseits der Unendlichkeit", warum in Hilberts Hotel, das über unendlich viele Zimmer verfügt, auch dann noch Platz für unendlich viele Gäste ist, wenn es an sich schon belegt ist.

Humor sowie dessen Bezug zur Mathematik erweist sich dabei als ein Leitthema sowohl für die Macher der Simpsons als auch für Singh selbst. Logik eigne sich eben gut dazu, dass mit ihr gespielt werde. Wer sich damit einen unterhaltsamen Königsweg zur Mathematik verspricht, wird dennoch enttäuscht. Die meisten mathematischen Gags werden von Singh zwar erhellend erklärt, wirklich nachvollziehbar sind sie dennoch nur für den Experten. Oft wirken die Geschichten reichlich konstruiert, zumal in der deutschen Fassung, die im Titel auch noch als ein Sequel von Singhs Verkaufsschlager aus dem Jahr 2000 daherkommt.

Auch mit gelbem Anstrich, vier Fingern und Überbiss wird Mathematik deswegen eben noch lange nicht Populärkultur. (Anja Sattelmacher, DER STANDARD, 18.12.2013)