Franz Strohmeiers Wirkungsstätte liegt mitten in der Weststeiermark, eingebettet in die Hügel um Sankt Stefan ob Stainz. Einen Namen machte sich dieses Weinbaugebiet, weil man sich hier seit Jahrhunderten auf eine rare Rotweinsorte konzentriert: Blauer Wildbacher, als trockener Rosé Schilcher genannt, wurde 1782 von Papst Pius, als man ihm den Wein bei der Durchreise auftischte – wenig euphorisch als "rosaroter Essig" beschrieben.

Ein Drittel "Rabiatler"

Der Winzer Strohmeier aber steht auf diesen "Rabiatler", der verteilt auf drei Standorte etwa zwei Drittel seiner derzeitigen zehn Hektar ausmacht. Seit 1989, Strohmeiers Einstieg in den Betrieb seiner Eltern, hatte er Ideen, Wildbacher anders als traditionell trocken und rosa auszubauen. Die waren angesichts der prekären Lage des Schilcher in den 1990ern auch notwendig: Nachdem Weintrinker in den 1980ern gar nicht genug davon bekommen konnten, ging es mit Qualität und Nachfrage im Folgejahrzehnt bergab, weil zu massiv ausgepflanzt wurde. Außerdem war plötzlich Chardonnay angesagt, in einem modernen, "runderen" Stil. Der rotfruchtige Wein mit extra kräftiger Säure und einigem Gerbstoff fiel nicht mehr ins Beuteschema der Trendtrinker.

Weil sich Strohmeier für Schaumwein interessierte, für den säurereicher Grundwein eine Voraussetzung ist, begann er 1993 Schilcher als Sekt auszubauen. Versektet wurde zunächst bei einem Schulkollegen in Schrattenberg im Weinviertel. Aber "im Grunde war auch die Idee, alles selbst zu machen, immer schon da", so Strohmeier. "Etwas aus der Hand zu geben ist eine persönliche Geschichte. Und wenn es sein muss, gehe ich natürlich dorthin, wo ich ein gutes Gefühl habe."

Degorgieren in einem umgebauten Kuhstall

Ab 1996 nahm er es selbst in die Hand: Die zweite Gärung in der Flasche, durch die Bläschen ins Getränk kommen, das Degorgieren, bei dem das Hefedepot der zweiten Gärung entfernt wird – alle Vorgänge, die es braucht, um hochwertigen Sekt per Flaschengärmethode herzustellen, wurden ab diesem Zeitpunkt daheim in einem umgebauten Kuhstall durchgeführt.

Die heutige Wein- und Sektkellerei unter dem liebevoll dekorierten Strohmeier’schen Familienhaus in Lestein fällt nicht groß auf. Auch Erwartungen, wegen der Sektproduktion jede Menge Gerätschaften vorzufinden, werden nicht erfüllt, da funktionell und möglichst einfach gearbeitet wird. Degorgiert wird warm, ohne Einfrieren des Flaschenhalses. Zum Teil wird per Hand gerüttelt, den Großteil erledigt ein einzelnes automatisches Rüttelpult, das die Flaschen langsam auf den Kopf stellt, damit sich die Hefeablagerungen aus der zweiten Gärung vor dem Degorgieren im Flaschenhals sammeln, was optische Gründe hat, für die Qualität des Getränks aber keinen Unterschied macht.

"Was ich brauche, ist schon da"

Strohmeier wollte "keinesfalls zu viel in technische Ausrüstung investieren. Was ich brauche, ist da." Und so passt das auch zu ihm. Die naturschonende Richtung habe bereits sein Vater eingeschlagen, erzählt Strohmeier, "Herbizide wurden überhaupt nie verwendet. Mein Vater hat schon vor 25 Jahren selbst einen Mulcher für den Traktor gebaut, mit dem man mechanisch arbeiten konnte, weil man den damals nirgends kaufen konnte."

Ab 2003 begann Strohmeier, bei Schilcher biodynamische Methoden anzuwenden, Schwefel zu reduzieren und sich Schritt für Schritt maischevergorenen Weinen zuzuwenden. Was sich bewährte, wurde verfeinert. Als Absolvent der Weinbauschule Klosterneuburg griff er auf fundiertes konventionelles Wissen zurück.

Aber angestachelt durch sein Interesse an natürlichen Kreisläufen, wurde in Diskussionen mit vergleichbar arbeitenden Kollegen wie Sepp Muster und Andreas Tscheppe vieles hinterfragt: "Wieso sollte man alles Mögliche schon in den Most reinrühren, damit es dann erst passt?" Sein Know-how um natürliche Anwendungen, biodynamische Präparate und Mitteleinsatz erweiterte er im Gedankenaustausch mit Winzerfreunden, auch aus Gebieten wie dem französischen Elsass oder dem schweizerischen Wallis – beides Hochburgen für "anders" arbeitende Weinbauern.

Investition in die Unabhängigkeit

"Der Umstieg auf Bio war auch eine Investition in größere Unabhängigkeit", sagt Strohmeier. Er ist überzeugt, dass es möglich ist, Weinbau und Landwirtschaft „aus sich heraus zu betreiben“, ohne von Dünger oder Spritzmitteln der Industrie abhängig zu sein. "Es ergeben sich immer wieder Sachen, die auf natürliche Art und Weise funktionieren."

Natürlich sei Wirtschaftlichkeit ein Thema. "Doch Wachstum muss ja nicht immer ins Materielle und Größere gehen", so Strohmeier, "sondern ins Detail und in die Qualität der Arbeit." Seit 2006 arbeitet er zertifiziert biologisch. Dazu verzichtet der "Naturwinzer" weitgehend auf Schwefel, auch wenn er ihn heute wieder minimalistisch dosiert anwendet, wenn er es für notwendig hält. Maischevergärung, wo der Saft gemeinsam mit den Beerenhäuten der Trauben vergoren wird, setzt er inzwischen auch bei den Sektgrundweinen ein.

Schilcher als Süßwein ist grundlogisch

Strohmeier ist aber nicht nur Sekt-Pionier. Bereits 1990 baute er den Blauen Wildbacher als Rotwein aus, zu einer Zeit, als gerbstoff- und säureintensive Rotweine (noch dazu aus der Steiermark) alles andere als gefragt waren. In den Jahrgängen 2001 und 2002 entstanden Schilcher-Auslesen und Trockenbeerenauslesen, Süßweine der allerhöchsten Stufe. Schilcher als Süßwein ist grundlogisch, hat die Rebsorte doch genügend Säure, um die Süße auszubalancieren.

Es spricht für Strohmeier, dass er immer wieder darauf hinweist, welcher Kollege gleichzeitig mit ihm Erstlingsversuche gemacht hat. Blauen Wildbacher abseits der üblichen Pfade auszubauen, wagten damals nicht viele: "Hat bei uns keine Tradition" - das  kümmerliche Argument musste als Grund ausreichen.

Doch heute ist es normal, Schilcher vom Traubensaft über Sturm oder Rosé bis hin zum Sekt, Rotwein und Süßwein angeboten zu bekommen. Und wohin die Reise angesichts der Klimaverschiebungen geht, wird einer wie Franz Strohmeier zeigen. (Text: Luzia Schrampf, Fotos: Ferdinand Neumüller/DER STANDARD, Feinkost)

Da lass dich nieder

Was die Natur im Weingarten so mit sich bringt: Das ist die Basis für Franz Strohmeiers Weine.

Foto: Ferdinand Neumüller

Mitten in der Weststeiermark

Franz und Christine Strohmeiers Kellerei und Wohnhaus wurde Ende der 1990er gebaut.

Foto: Ferdinand Neumüller

Maischevergoren...

... bedeutet, dass Weißweine in Kontakt mit den Beerenhäuten vergoren werden. Bei Rotweinen ist das üblich, bei Weißweinen meistens nicht.

Foto: Ferdinand Neumüller

Die Farbe der Weißweine...

... wird durch diese Ausbauform intensiver und dunkler als gewohnt, weil die Farbstoffe aus den Beerenhäuten stärker ausgelaugt werden.

Foto: Ferdinand Neumüller

Handarbeit

Franz Strohmeier bei der kontemplativen Arbeit am Rüttelpult: Die Flaschen werden per Hand gedreht und mit jedem Drehen mehr auf den Kopf gestellt, damit sich die Heferückstände der zweiten Vergärung im Flaschenhals sammeln.

Foto: Ferdinand Neumüller

Wohlbehütet

Zusätzliche Informationen über die Weine gibt es auf der Infopapierkappe, die auf dem Flaschenkopf festgebunden wird.

Foto: Ferdinand Neumüller

Wogend

Biologisch, speziell biodynamisch bewirtschaftete Weingärten sind in einem Weinbaugebiet mit 1000 mm durchschnittlichem Niederschlag jährlich eine große Herausforderung.

Foto: Ferdinand Neumüller

Ernte drinnen

So prächtig sehen gut ausgereifte, gesunde Trauben aus Blauem Wildbacher aus.

Foto: Ferdinand Neumüller