In regelmäßigen Abständen sorgt das Verhältnis zum europäischen Kontinent auf der britischen Insel für einen kollektiven Nervenzusammenbruch. Diesmal geht es um die Armutszuwanderung von Rumänen und Bulgaren, deren zeitweilige Beschränkung der Freizügigkeit innerhalb der EU zum Jahresende ausläuft. Das macht auch anderen reichen Ländern Sorgen, auch dort wird darüber diskutiert, wie man etwaigen Sozialmissbrauch verhindern kann. Nirgends aber ist der Ton so schrill, wird die Diskussion mit solchen Angstparolen geführt wie in Großbritannien. Das Misstrauen im Volk speist sich aus der Erfahrung der völlig ungelenkten Massenzuwanderung von Osteuropäern vor zehn Jahren.
Zu Recht richtet es sich gegen die Londoner Zentralregierung. Und die Politiker dort tun, was man eben so macht: die Schuld auf Brüssel schieben. Bei den Briten kommt erschwerend hinzu: Jahrzehntelang haben Premiers, von Maggie Thatcher bis Tony Blair, die EU-Partner auf rasche und allumfassende Erweiterung des Klubs gedrängt.
Nun hat es die Gemeinschaft mit armen, semidemokratischen, häufig korrupten Mitgliedsstaaten zu tun. Wenn Rumänen und Bulgaren auf der Suche nach Wohlstand ihr Glück im Ausland suchen, handeln sie ganz im Sinn der ökonomischen Liberalen in Großbritannien. Doch deren Einfluss schwindet - zugunsten eines gefährlich nationalistischen Isolationismus. (Sebastian Borger, DER STANDARD, 19.12.2013)