"The Walking Dead – Season 2" (Telltale Games)

Genre: Adventure

Plattformen: PC, Mac, Xbox 360, PS 3, iOS und Ouya

Erschienen am 17. Dezember 2013 (Episode 1)

Die Ouya-Umsetzung soll im Laufe des Winters erscheinen. Auch Staffel 1 wird für die Android-Konsole umgesetzt.

Foto: Telltale Games

Wieder da und spielbare Hauptfigur: Die nunmehr zehnjährige Clementine.

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Unverändert: Nicht nur wandelnde Tote stellen in Rober Kirkmans Zombie-Universum eine Gefahr dar.

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Dementsprechend kurz währt die familiäre Idylle, die das Spiel zu Beginn bietet.

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Kurze Freundschaft: Die Begegnung mit Hund "Sam" leitet den ersten echten Handlungshöhepunkt ein.

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Gespräche - und die Wahl der Antworten - sind auch in der zweiten Staffel von "The Walking Dead" ein Kernelement des Spiels.

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In technischer Hinsicht hat sich nicht viel geändert, Telltale hat ein wenig am Handlungsmenü gefeilt.

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Am Ende der Folge gleicht "The Walking Dead" die eigenen Entscheidungen mit jenen der anderen Spieler ab.

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Vor über einem Jahr lieferte Telltale Games die fünfte und letzte Episode ihrer ersten Umsetzung der Comic-Reihe "The Walking Dead" und ließ damit viele Spieler in ein traurig-schönes Gefühlshoch versinken. Meisterhafte Erzählkunst gepaart mit einer Handlung, die sich an die Entscheidungen des Spielers anpasst, verhalfen dem Spiel zu zahlreichen Höchstwertungen und mehreren "Game of the Year"-Auszeichnungen. Mit Recht, wie auch der GameStandard damals feststellte.

Kurz vor Weihnachten kehrt der Adventure-Meilenstein nun wieder zurück und entführt erneut ins rurale Amerika nach der Zombieapokalypse. Wie schon die erste Staffel spielt Telltale die Handlung in fünf Episoden aus, die in regelmäßigen Abständen veröffentlicht werden. Der GameStandard hat die Premierenfolge, "All That Remains", unter die Lupe genommen.

Spoiler-Warnung!

Achtung: Bei der Erstellung dieser Rezension wurde darauf geachtet, möglichst wenig von der Handlung des Spiels preiszugeben. Für die Verfassung konklusiver Erklärungen und einer verständlichen Bewertung ist es jedoch nicht möglich, die Story komplett auszublenden. Auch ein Rückblick auf Staffel 1, inklusive Ende, ist hierfür nötig.

"Clem" kehrt zurück

Nach dem Ende der ersten "The Walking Dead"-Reihe (das Telltale-Game übernimmt übrigens nur sehr wenig Inhalte aus Comic und TV-Serie) ergaben sich für die Spieler einige offene Fragen. So war der Verbleib mancher Charaktere der Gruppe bis zuletzt nicht geklärt. Auch wie es mit dem kleinen Mädchen Clementine – die man in Person des Geschichtslehrers und verurteilten Mörders Lee Everett beschützen musste – weitergehen würde, blieb offen.

Im Vorfeld ließ Telltale schließlich durchsickern, dass das eine oder andere Schicksal sich in Teil 2 aufklären würde. Durchaus für überraschte Gesichter sorgte die Entscheidung, "Clem", nicht nur einen weiteren Auftritt zu spendieren, sondern sie zur Protagonistin der Fortsetzung zu machen. Entscheidungen und Ereignisse aus der ersten Staffel sollten dabei nachwirken, folglich sind Speicherstände von Hauptspiel als auch dem DLC "400 Days" importierbar.

Brachialer Einstieg

Angesiedelt ist die Handlung des Spiels rund anderthalb Jahre nach Clementines Flucht aus Savannah. Gemeinsam mit den Überlebenden, der schwangeren Christa und ihrem Mann Omid reist die Zehnjährige durch das Land, stets auf der Flucht vor der ständigen Bedrohung durch wandelnde Tote. Den Umständen entsprechend scheint das Beinander der Drei fast idyllisch zu sein.

Doch wie so oft, währt dies nicht lange. In Windeseile platzt der Traum der kleinen, glücklichen Familie, Telltale lässt einen der beiden Ersatz-Elternteile sterben und auch der gemeinsame Trip der verbliebenen zwei Personen währt nicht lange.

Bürde einer Fortsetzung

In den ersten zehn bis fünfzehn Minuten dürfte bei Kennern der ersten Staffel ein wenig Enttäuschung aufbranden. Einerseits lässt die erzählerische Qualität der Einleitung ins neue Setting zu wünschen übrig, da die Ereignisse einfach zu überstürzt dargeboten werden und sich die darin getroffenen Entscheidungen als reines Alibi erweisen, um dem Spieler abseits der Actioneinlagen auch etwas zu tun zu geben.

Zum Teil ist dies allerdings logisch, hat diese Folge doch einen Spagat zu stemmen. Einerseits müssen erfahrene "The Walking Dead"-Spieler zurück an die Geschichte geführt, andererseits Neueinsteiger mit der Spielmechanik und Clementine vertraut gemacht werden. Eine Problemstellung, deren Lösung nach Kompromissen verlangt, wenngleich auch diese zufriedenstellender hätten ausfallen können.

Moralischer Kompass

Nach etwa zwanzig Minuten bringt die Begegnung mit einem Hund einen überraschenden und doch logischen Handlungshöhepunkt und erstmals die Möglichkeit für Clementine, ihren moralischen Kompass zu justieren. Auch in der Fortsetzung des Spieles dreht sich vieles um die dem Spieler eigene Definition von "Gut" und "Böse", "Richtung" und "Falsch" oder schlichtweg "Notwendig".

"Clem" trifft schließlich unter widrigen Umständen auf eine Gruppe, aus welcher ihr gemischte Gefühle entgegen schlagen. Hier rückt das Element der Multiple-Choice-Dialoge in den Vordergrund. Welche Antworten und Reaktionen man auf welche Art zeigt, hinterlässt Spuren bei den Gesprächspartnern und wird, so deutet sich schnell an, Einfluss auf die innere Dynamik des Personengeflechts haben.

Die Konsequenzen wird man wohl bei späteren Schlüsselereignissen zu spüren bekommen, aufgrund der zeitlichen Enge sind Auswirkungen in der ersten Folge noch kaum zu merken. Wer Staffel 1, oder so manches andere Telltale-Spiel absolviert hat, kennt dies ebenso, wie die Notwendigkeit in bestimmten Situationen eine schnelle und definitive Entscheidung treffen zu müssen. Ob und wie man jemandem hilft kann über Leben und Tod entscheiden, manchmal aber auch nur darüber, wer stirbt und wer mit seinem Leben davon kommt.

Melancholische Momente

Gegen Mitte der Episode beginnt die Handlung schließlich mitreißender zu werden, auch weil die Charaktere der Gruppe an Profil gewinnen und Telltale gleichzeitig Brücken in Clementines Vergangenheit schlägt. In einzelnen Gesprächsmomenten ist es möglich, mehr über das Vorangegangene preiszugeben.

Das traurige Schicksal ihrer Eltern und von Lee Everett aus dem Mund des kleinen Mädchens erzählt zu bekommen, entfaltet eine melancholisierende Wirkung – jedoch nur, wenn man den Vorgänger tatsächlich gespielt hat. Kennt man diesen nicht oder verfügt nicht mehr über einen Speicherstand, erwürfelt das Spiel einfach Zufallsentscheidungen.

Die kurze Rückblende vor Spielstart bringt wiederum auch nur Kenner der ersten Staffel zurück in die Spur. Wer "The Walking Dead" mit Staffel 2 zum ersten Mal spielt, wird mit dem kurzen Szenenauszug nur sehr wenig anfangen können. Folglich lautet die Empfehlung klar, mit Staffel 1 zu beginnen.

Kindsein

Eine große Unbekannte ist, wie sich die Entscheidung, Clementine zur spielbaren Figur zu machen, langfristig auswirkt. Der Umgang von und mit anderen und ihre Handlungsoptionen unterscheiden sich freilich klar von jenen eines Erwachsenen, dazu sind auch die Anforderungen an ein Kind inmitten einer Welt aus Gewalt und Bedrohung höher.

Dass es sich nicht jeder leisten mag, eine Zehnjährige automatisch für hilflos und schützenswert zu halten, zumal längst nicht nur auferstandene Tote eine Gefahr darstellen, wird von der Handlung gut reflektiert. Wirklich großes Kapital geschlagen hat Telltale aus diesem Umstand in der ersten Episode aber noch nicht. Wieviel Potenzial in der Kinderrolle steckt, dürfte wohl schon Episode 2 offenlegen, die den leicht verräterischen Untertitel "A House Divided" trägt und wohl im Januar erscheint.

Akustisch hochwertig

In technischer Hinsicht hat sich kaum etwas geändert. Weiter wird das Spiel im zweckmäßigen Cell-Shading-Look präsentiert, ohne dadurch an Atmosphäre einzubüßen. Daneben gibt es leichte Anpassungen der Steuerung. Am Ende der Folge präsentiert das Spiel die wichtigsten getroffenen Entscheidungen und vergleicht die mit dem Rest der Spielerschaft. So erhält man einen Überblick, wieviel Prozent der anderen Gamer sich für welche Option entschieden haben.

Über fast alle Zweifel erhaben ist die akustische Umsetzung. Musikalisch wird der Spieler stets atmosphärisch gebettet, bis auf kleine und verzeihabare Schwächen leisten auch die Sprecherinnen und Sprecher sehr gute Arbeit. Einmal mehr hervorzuheben ist freilich die Leistung von Melissa Hutchison, die Clementine ihre Stimme leiht.

Fazit

"The Walking Dead 2: All That Remains" ist ein guter, aber kein großartiger Wiedereinstieg in das von Robert Kirkman bereitete Zombie-Szenario. Vielversprechendes deutet sich erst im späteren Verlauf der Premierenfolge an, der Einstieg ist belastet von erzählerischen Schwächen und dem "notwendigen Übel", Neueinsteigern ins Spiel zu helfen.

Absehbar ist, dass Spielern ohne Kenntnis der ersten Staffel der eine oder andere jener emotionalen Momente entgehen wird, die selbige zu einem so umwerfenden Erlebnis gemacht haben. Angesichts der Ankündigungen von Telltale war dies jedoch absehbar. Ansonsten hat es die Fortsetzung freilich schwerer zu begeistern, sind die Kenner des ersten Abenteuers doch schon vertraut damit, schmerzhafte Entscheidungen zu treffen.

Potenzial für Großes vorhanden

Summa summarum dürfte Clementines Abenteuer auf jeden Fall ein sehr spielenswertes Gesamtwerk werden . Ob es die großen Fußstapfen seines Vorgängers ausfüllen kann und sich ebenfalls zu einem absoluten Genre-Höhepunkt entwickeln wird, bleibt aber abzuwarten – das Potenzial ist da. Der GameStandard meldet sich nach dem Abschluss der zweiten Staffel mit einer finalen Einschätzung zurück. (Georg Pichler, derStandard.at, 26.12.2013)

Video: The Walking Dead – Staffel 2 Trailer