Das von HTC produzierte "Sooner" hätte eigentlich das erste Android-Smartphone werden sollen. Nach der Vorstellung des iPhones wurde es durch das HTC Dream / T-Mobile G1 ersetzt. In der ersten Videovorstellung von Android kam es übrigens trotzdem noch vor.

Foto: Steven Troughton-Smith

Es war das Jahr 2005, da da traf Google eine der im Nachhinein wohl wichtigsten Entscheidungen der Unternehmensgeschichte: Mit der Entwicklung eines eigenen mobilen Betriebssystems wollte man nicht weniger als die gesamte Mobiltelefonindustrie umkrempeln.

Chaos

Vorangegangen war eine Phase der tiefen Frustration mit der Branche, wie Google-Chef Larry Page heute offen bekennt. Tatsächlich war die Mobilfunkindustrie damals ein ziemliches Chaos, es gab keinerlei Standardisierung. Programme, die für die Geräte eines Herstellers entwickelt wurden, waren nicht so ohne weiteres auf den Mobiltelefonen eines anderen Unternehmens lauffähig - selbst wenn beide das selbe Betriebssystem verwendeten.

Abgeschlossen

Die alleinige Kontrolle übten dereinst die Netzanbieter aus, und diese hatten eine sehr eigenwillige Vorstellung vom mobilen Web. Viele davon versuchten, ihre eigenen "abgeschlossenen Gärten" aufzuziehen. Gegenüber The Atlantic erzählt ein Google-Entwickler, dass man damals versucht habe, einen Deal mit Vodafone zur Anbindung an die Google-Suche zu schmieden. Vodafones primäres Interesse wäre es aber gewesen, über solch ein Vehikel Klingeltöne zu verkaufen. Allgemeine Suchergebnisse hätten erst nach dieser Eigenwerbung angezeigt werden sollen.

Befürchtung

Gleichzeitig war Google aber davon überzeugt, dass irgendein Unternehmen früher oder später mit diesem Chaos aufräumen würde, befürchtete aber, dass dies Microsoft sein könnte. Ein zweites Monopol a la Windows wollte Google aber um jeden Preis verhindern, könnte dies doch ein Vehikel sein, um die NutzerInnen von der Google-Suche hin zu einer Microsoft-Lösung zu ziehen - und so Googles Kerngeschäft zu zerstören. Denn während Microsoft im Desktopbereich durch die zahlreichen Kartellverfahren die Hände gebunden waren, würde ein mobiles Windows nicht unter solche Auflagen fallen. Und könnte so immer mehr NutzerInnen zur Microsoftsuche treiben.

Kernentwicklung

Also begann man mit der Entwicklung dessen, was später als Android auf den Markt kommen sollte. Ein Kern von rund 50 EntwicklerInnen arbeitete 18 Monate lang jede Woche zwischen 60 und 80 Stunden, um das System fertigzustellen. Und die Fortschritte konnten sich sehen lassen: Anfang 2007 hatte man bereits mit mehreren Prototypen gearbeitet, der Zeitplan sah die offizielle Vorstellung eines ersten Android-Smartphones unter dem Namen "Sooner" für Ende 2007 vor.

Das iPhone betritt die Bühne

Und dann kam jener Tag, der alles ändern sollte: Am 9. Jänner 2007 präsentierte Apple-Gründer Steve Jobs das iPhone. Android-Chef Andy Rubin verfolgte die Präsentation damals per Webcast und reagierte mit aller Deutlichkeit: "Heilige Scheiße, dieses Telefon werden wir wohl nicht ausliefern", so die überlieferte erste Reaktion.

Stärken

Dabei brauchte sich Google aus einer rein technischen Perspektive wahrlich nicht vor Apple zu verstecken. Schon damals konnte Android einige Dinge, die man beim ersten iPhone vergeblich suchte. Es konnten mehrere Apps gleichzeitig laufen, eine fixe Anbindung an Desktop-Software wie iTunes war unnötig, und es gab eine erste Versionen eines Online-Stores, über den neue Apps heruntergeladen werden konnten.

User Experience

Wo Apple die Nase aber meilenweit voraus hatte, waren User Experience und Design. "Sooner" ähnelte eher einem Blackberry mit kleinem Bildschirm und einer Mini-Tastatur. Ein Touchscreen war hingegen nicht vorgesehen. Google - und die frühen Partner wie T-Mobile und HTC - waren davon überzeugt, dass das Design nicht wichtig sei, eine einheitliche App-Plattform mit Online-Store die wahre Revolution darstellen würde.

Neue Ansätze

Eine damals in der Branche durchaus übliche Annahme mit der Apple von einem Tag auf den anderen aufräumte. Der Bildschirm war wesentlich größer als bei anderen frühen Smartphones, nicht zuletzt weil man auf eine Hardwaretastatur verzichtete. Die Nutzung war auch sonst ganz auf Touch ausgerichtet, und verzichtete dabei auf einen Stylus als Eingabegerät.

Neustart

Also hieß es für Google zurück ans Zeichenbrett. Innerhalb weniger Wochen hatte das Android-Team die eigenen Prioritäten vollständig umgekrempelt. Neuer Fokus der Entwicklung war das "Dream", das im Jänner 2007 erst in einer frühen Entwicklungsstufe war, aber als einziger der Prototypen auf Touch ausgerichtet war.

Anpassung

Natürlich musste dafür auch Android umgestaltet werden, nicht zuletzt was die Oberfläche und die Touch-Nutzung betraf. Daraus resultierte wiederum eine erhebliche Verzögerung im Zeitplan. Bis das HTC Dream schlussendlich unter dem Namen T-Mobile G1 auf den Markt kam, sollte noch ein weiteres Jahr vergehen. Das erste Android-Smartphone kam schlussendlich am 22. Oktober 2008 in den USA auf den Markt. (red, derStandard.at, 20.12.13)