"Alles, nur nicht Rindsroulade!" Bei der Zusammenstellung eines Menüs kommt viel zutage, zum Beispiel tiefsitzende Kindheitstraumata, das Essen betreffend. Aber längst nicht nur das. Acht Teilnehmerinnen haben sich an diesem Nachmittag im Kochclub am Kühnplatz im vierten Wiener Gemeindebezirk zu einem speziellen Workshop eingefunden: "Cook a Team" heißt die Veranstaltung, ein Tool für Teamentwicklung und Leadership-Coaching.
Seit rund zwei Jahren bietet das Team rund um den Wirtschaftscoach Horst Hochmayr die Methode an. Ziel ist es, die Teamperformance in einem Unternehmen durch einen Set-Transfer zu verbessern. Die alltägliche Zusammenarbeit im Büro wird in die ungezwungene Atmosphäre einer Küche übertragen. Insofern ist das Team, das sich an diesem Novembernachmittag um den großen Esstisch schart, ein untypisches. Die sieben Frauen und ein Mann haben sich gerade erst kennengelernt.
Sie sind Personaler oder Organisationsentwickler aus der Pharma-, Banken- und IT-Branche. Sie alle wollen ausprobieren, ob "Cook a Team" wirklich mehr ist als ein gemeinsamer Kochkurs. Nach einer kurzen Vorstellungsrunde erklärt Hochmayr den Ablauf. In vier Stunden soll ein mehrgängiges Menü konzipiert, die Zutaten eingekauft, verkocht - und nicht zu vergessen - "genossen" werden. Das Besondere daran ist, dass das Menü eben nicht vorgegeben ist und unter Anleitung eines Experten gekocht wird. Schon die Einigung auf die diversen Gänge und die Arbeitsaufteilung sind Teil des Prozesses.
Rasch entscheiden
Bald wird durcheinandergerufen, die Zeit drängt, bereits in einer Stunde wird der nahegelegene Naschmarkt schließen. Sind Vegetarier am Tisch? Wer hat eine Nuss- oder sonstige Allergie? Wie viele Gänge sollen es werden? Das sind die drängendsten Fragen, bevor das Menü Gestalt annimmt. Fischtartare, Thaisuppe, Rindfleisch mit Salat und Rotweinsoße, zum Abschluss eine Käseplatte, die Weinschaumcreme wird sich in der knappen Zeit nicht ausgehen.
Hochmayr greift nur wenig ein, seine Kollegin Angelika Specht, systemischer Coach und Strategieberaterin, erinnert freundlich, aber bestimmt ans Zeitbudget.
Bevor alle sich auf die Verteilung der Finanzen einigen, Zweiergruppen bilden und zum Einkauf losstürzen, weist Hochmayr auf einen ganz entscheidenden Punkt hin: "Wann ist der Auftrag gut erfüllt? Was sind die Kriterien für den Erfolg? Das wird allzu oft vergessen", betont er. In unserem Fall heißt das zum Beispiel: Das Essen soll unkompliziert sein, schön angerichtet, alle sollen satt werden. Gemeinsam werden die Erfolgskriterien besprochen, zu viele sollen es nicht sein - und scharf formuliert müssen sie sein: Was heißt schon unkompliziert?
Transfer ins Berufsleben
Schließlich lautet das Erfolgskriterium so simpel wie bestechend: "Wenn es allen geschmeckt hat." Hochmayr erläutert den Transfer ins Berufsleben: Was ist mit Arbeit, die keinem schmeckt und trotzdem gemacht werden muss? Was macht einen guten Teamleiter aus? Er bringt das Beispiel eines Chefs, der vor "Cook a Team" bereits zu Abend gegessen hatte, weil er seinem Team nicht zutraute, ein genießbares Essen auf den Tisch zu bringen und sich eines Besseren belehren ließ.
Spätestens dann, wenn alle im Laufschritt vom Einkauf zurückkommen und sich auf die (wirklich scharfen) Messer und Kochtöpfe stürzen, ist ein Team am Werk. Es zischt und dampft und duftet, und natürlich gibt es immer einen, der darauf achtet, dass die Gläser nicht leer sind.
Beim Aufdecken sagt Hochmayr: "Jeder Teller hier ist anders, so wie wir alle nicht gleich sind, weil wir unterschiedliche Stärken haben." Dies zeigt sich beim selbstständigen Arbeiten, wo jeder gern zupackt. Eine Gruppe hat Verspätung, beweist eiserne Nerven und lässt sich beim Brotschneiden helfen. Schließlich sitzen alle satt und zufrieden bei einer Reflexionsrunde um den Tisch. "Oft ist es für die Führungskraft extrem schwierig, sich nicht einzumischen und das Team machen zu lassen" , erzählt Hochmayr. Geschmeckt hat es an diesem Abend allen - und das auch ohne Chef. (Tanja Paar, DER STANDARD, 21./22.12.2013)