Damaskus - Einen Monat vor Beginn der syrischen Friedensverhandlungen hat die dem Terrornetzwerk Al-Kaida nahestehende Al-Nusra-Front erstmals ihren politischen Machtanspruch artikuliert. In seinem ersten Fernseh-Interview formulierte der Anführer der Brigade, Abu Mohammed al-Golani, am Donnerstagabend seine Vision für einen "Islamischen Staates" in Syrien.

In syrischen Oppositionskreisen wirbelte das Interview, das Taisir Aluni, ein Reporter des arabischen Nachrichtensenders Al-Jazeera, mit dem Islamisten führte, am Freitag viel Staub auf.

Die regimekritische Website "Zaman al-Wasl" fragte: "Hat der Reporter Taisir Aluni von Al-Jazeera ein Verbrechen an den syrischen Revolutionären verübt?" Ein anderer Kommentator sagte in Anspielung auf die Sprengstoff-Fässer, die das Regime von Präsident Bashar al-Assad über den Rebellenhochburgen abwerfen lässt: "Das Aluni-Fass wird aus dem Al-Jazeera-Hubschrauber abgeworfen."

Al-Golani erhielt in dem Interview nach Ansicht von Beobachtern zu viel Gelegenheit, seine Islamisten-Brigade in ein vorteilhaftes Licht zu rücken. "Ich habe schon oft gesagt, dass Al-Jazeera einen Beitrag zur 'Islamisierung' dieser Revolution leistet", sagte der christliche Oppositionelle Michel Kilo der Nachrichtenagentur dpa. Obwohl Al-Golani seine Loyalität zum Anführer des internationalen Terrornetzwerks Al-Kaida, Ayman al-Zawahiri, betonte, sagte Kilo, im Vergleich zu der Gruppe Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS) seien die von Al-Golani vertretenen Positionen noch moderat.

Al-Golani hatte in dem Interview zwar erklärt, die Al-Nusra-Front und ISIS hätten zwar Meinungsverschiedenheiten. Sie gehörten aber "zu einer Familie". "Einiges, was er gesagt hat, war ganz vernünftig. Das sind keine Terroristen wie die ISIS-Leute", erklärte der momentan in Deutschland ansässige syrische Dissident Haitham al-Maleh. Zur Rolle des Senders Al-Jazeera, der dem Herrscherhaus von Katar gehört, merkte er an: "Die Position Katars im Syrien-Konflikt ist bekannt. Und warum sollen sie nicht über Al-Jazeera eine Botschaft senden."

Der Anführer der Al-Nusra-Front, der nur unter seinem Kampfnamen bekannt ist, zeigte sein Gesicht während des Interviews nicht. Aluni hat gute Beziehungen ins Islamisten-Milieu. Er hatte während der US-Angriffe auf die Taliban 2001 als einziger ausländischer Reporter aus der afghanischen Hauptstadt Kabul berichtet. Die Al-Nusra-Front wird von den USA als Terrororganisation eingestuft. (APA, 20.12.2013)