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Daniel Barenboim fühlt sich beschenkt, ein zweites Mal das Neujahrskonzert dirigieren zu können. Auch ist er froh, dass man "kein Konzert der Zugaben konzipiert" habe.

Foto: AP/ Zak

Wien - Kurz hat Daniel Barenboim überlegt, ob er es gestehen soll. Schließlich aber entschlüpfte es ihm doch - ist ja nichts dabei: "Als mich die Philharmoniker einluden, das Neujahrskonzert noch einmal zu dirigieren, habe ich gezögert - natürlich nicht, weil das Orchester nicht mehr so gut ist wie 2009." Vielmehr habe er als regelmäßiger TV-Seher und -Hörer des Neujahrskonzertes "erlebt, dass das zweite Konzert bei Kollegen nicht immer diese Einzigartigkeit entfalten konnte wie das erste".

So bleibe für ihn, Barenboim, "auch das einzige Konzert von Herbert von Karajan als unüberbietbar in Erinnerung, als einzigartig". Letztlich aber "überwog bei mir wohl das kämpferische Element. Es wäre Aberglaube gewesen, nicht noch einmal antreten zu wollen. Und dem Aberglauben wollte ich nicht nachgeben", so Barenboim, über dessen Zusage sich der Philharmonikervorstand Clemens Hellsberg extra freute.

Es verbinde ja das Orchester und den Dirigenten, so Hellsberg bei der Pressekonferenz, eine sehr lange Freundschaft. Genauer: Es gelte heuer auch die "Silberne Hochzeit" zu feiern - man musiziere mit Barenboim schließlich nun schon seit 25 Jahren. Da käme das Neujahrskonzert gerade recht.

Zudem sei Barenboim als politischer Humanist beim heurigen Event ganz besonders erwünscht. Es soll ja einen symbolischen Friedensschwerpunkt aufweisen, aus Anlass des Gedenkjahres zum Ersten Weltkrieg. Da sei Barenboim mit seinem West-Eastern Divan Orchestra ein Friedensvorbild. Er wird demnach u. a. Joseph Strauß' Walzer Friedenspalmen dirigieren wie auch den Carolinen-Galopp von Johann Strauß Vater oder den Egyptischen Marsch von Strauß Sohn.

Kein Zugabenkonzert

Das diesjährige Programm findet Barenboim auch deshalb exquisit, da man vermieden hätte, "ein Konzert von Zugaben zu konzipieren. Es gibt vielmehr kleine programmatische Einheiten, man hat nicht nur aus dem Bauch heraus entschieden - das ist sehr befriedigend", so Barenboim, der zur Eröffnung Eduard Strauß' Helenen Quadrille dirigieren wird. Als Hommage an seine Ehefrau Elena Bashkirova, von der er allerdings nicht weiß, was sie darüber denkt - "da müssen Sie sie schon selbst fragen".

Auskunftsfreudiger ist Barenboim, wenn es darum geht, über die Philharmoniker zu schwärmen: "Ich hatte immer den Eindruck, dass es ein Orchester mit einer ganz besonderen Haltung zur Musik und zum Musizieren ist. Dass es keinen Chefdirigenten hat, ist ein Zeichen von Unabhängigkeit. Aber da es keinen hat, ist es gezwungen, von sich aus viel anzubieten. Wenn man einander gut versteht, ist die Unabhängigkeit kein Problem. Wenn man sich mit einem Dirigenten nicht gut versteht, kann es natürlich schwierig werden." Ihn betreffe das nicht, zudem: Gerade bei einem Orchester, das so eng mit der Musik der Strauß-Dynastie verbunden ist, sei das Neujahrskonzert "das schönste Geschenk, das ein Dirigent bekommen kann".

Auch zeigte sich Barenboim gerührt, dass Hellsberg die Arbeit des West-Eastern Divan Orchestra hervorhob. "Das ist das einzige Orchester, das bei so einer Gelegenheit wie hier etwas Positives über ein anderes Orchester sagt. Das ist nicht so selbstverständlich, wie es scheint!" Was Barenboim, da er im Musikvereinssaal arbeiten wird, entgeht: Nach seinem Neujahrskonzert-Debüt im Vorjahr wird der britische Choreograf Ashley Page erneut die tänzerische Umsetzung der beiden Balletteinlagen übernehmen. Und für die Kostümkreationen wird die britische Modeschöpferin Vivienne Westwood zuständig sein.

Daniel Barenboim selbst wird natürlich bei den Zugaben auch das obligate Klatschen beim Radetzkymarsch koordinieren - und er findet das vollkommen in Ordnung. "Wir sind seit 30, 40 Jahren doch zu akademisch geworden. Wenn beim Violinkonzert von Tschaikowsky nach dem ersten Satz geklatscht wird, dann ist das ein spontaner Ausbruch. Das soll man akzeptieren. Also kann man beim Radetzkymarsch auch einfach seinen Spaß haben." Ab 10. Jänner kann man den Spaß dann auch auf CD (Sony) hören. (Ljubisa Tosic, DER STANDARD, 28./29.12.2013)