Hamburg - Die deutsche Wirtschaft wird nach Ansicht von EU-Sozialkommissar László Andor von der bevorstehenden Arbeitnehmerfreizügigkeit für Rumänen und Bulgaren profitieren. "Die Aufhebung der bisherigen Beschränkungen für Arbeitnehmer aus Rumänien und Bulgarien wird nicht zu ernsthaften Störungen oder gar Schocks in der deutschen Wirtschaft oder sonst wo in Europa führen", sagte Andor.
Der Zuzug werde im Gegenteil "bemerkenswert positive wirtschaftliche Auswirkungen haben und zu Wohlfahrtsgewinnen in Deutschland führen", erklärte der Kommissar der Tageszeitung "Die Welt".
Andor begründete dies damit, dass die neuen Migranten dazu beitragen würden, den Arbeitskräftemangel in einigen Branchen zu beseitigen. "Die überwiegende Mehrheit der Migranten will arbeiten und nicht einfach Sozialleistungen kassieren", sagte der ungarische Kommissar. Es sei "unwahrscheinlich, dass der uneingeschränkte Zuzug rumänischer und bulgarischer Arbeitnehmer zu Lohnsenkungen oder mehr Arbeitslosigkeit bei einheimischen Beschäftigten führt, weil sie in der Regel freie Stellen besetzen und niemanden verdrängen".
CSU will Arbeitsmigranten Zugang zu Sozialsystem erschweren
Die CSU hatte am Wochenende einen harten Kurs gegen mögliche "Armutsmigranten" im Zuge der bevorstehenden Arbeitnehmerfreizügigkeit für Rumänen und Bulgaren eingeschlagen. Laut einer Beschlussvorlage für die traditionelle Klausur der CSU-Landesgruppe Anfang Jänner in Wildbad Kreuth will die CSU "Armutsmigranten" den Zugang zum deutschen Sozialsystem erschweren.
Geprüft werden soll "eine generelle Aussetzung des Bezuges von Sozialleistungen für die ersten drei Monate des Aufenthaltes in Deutschland". Zudem soll es Wiedereinreise-Sperren geben, wenn etwa Dokumente gefälscht wurden oder Sozialleistungsbetrug nachgewiesen wurde. "Wer betrügt, fliegt", heißt es in dem Papier. Der CSU-Vorstoß war auf scharfe Kritik des Koalitionspartners SPD und der Opposition gestoßen.
Sprecher der Bundesregierung: Keine Neuregelung geplant
Die deutsche Bundesregierung plant allerdings keine neuen Regeln für den Bezug von Sozialleistungen, um mögliche Armutszuwanderung aus Rumänien und Bulgarien einzudämmen. Man werde die Entwicklung nach dem 1. Jänner zunächst abwarten, sagte eine Sprecherin des Arbeitsministeriums am Montag in Berlin.
Im Übrigen zeigten aktuelle Zahlen, dass Rumänen und Bulgaren in Deutschland seltener als andere Ausländer arbeitslos seien und auch seltener Sozialleistungen bezögen.
Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, Bundeskanzlerin Angela Merkel halte die Freizügigkeit von Menschen, Waren und Kapital für eine der zentralen Errungenschaften der Europäischen Union. Dies sei zum gemeinsamen Nutzen aller Partnerländer. Auf die Frage, wie die Kanzlerin den Vorstoß der bayrischen CSU, der christlich-sozialen Schwesterpartei ihrer CDU, zur Eindämmung von Armutszuwanderung sehe, wollte Seibert nicht näher eingehen.
CSU auf Camerons Spuren
Die CSU tritt mit ihrer Forderung in die Stapfen des britischen Premiers David Cameron. Dieser hatte den sogenannten Sozialhilfetourismus scharf kritisiert und gleich schärfere EU-Gesetze verlangt. Nun hat London beschlossen, dass ab Jahresbeginn 2014 - also übermorgen - in den ersten drei Monaten nach der Einwanderung kein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe mehr bestehe, erklärte Cameron.
Camerons Regierung klagt bereits seit längerem über zu viele Einwanderer aus ärmeren EU-Staaten wie etwa Rumänien und Bulgarien, meist Angehörige der Roma-Minderheit, und wirft ihnen vor, die britischen Sozialsysteme zu belasten. Zum Jahresende laufen Beschränkungen für die Freizügigkeit von Arbeitnehmern aus diesen beiden Staaten aus. (APA, 30.12.2013)