Glenn Greenwalds Eröffnungsrede am 30c3-Kongress des Chaos Computer Clubs in Hamburg hat, ungewohnt für die Woche zwischen Weihnachten und Silvester, die man in Frankreich "la trêve des confiseurs", den Waffenstillstand der Zuckerbäcker, nennt, unter Journalisten eine Aktivismus- und Neutralitätsdebatte ausgelöst. Nach Greenwalds Definition ist jeder Journalismus eine Form von Aktivismus, aber nicht jeder Aktivismus Journalismus. Anders sehen das die Journalisten von "Zeit Online". Sie fragen: "Kann jemand gleichzeitig Journalist und Aktivist sein?" Oder: "Sollen Medien eher versuchen, so neutral wie möglich zu sein und anderen den Aktivismus überlassen?" Für "Zeit Online" geht Greenwald zu weit und hat "eine Grenze überschritten". Kurz: er lässt nötige Distanz vermissen, indem er "wir" statt "ihr" sagt.

Objektiver Journalismus bedeutet, präzise, neutral und ausgewogen zu informieren, stets mehrere Quellen zu nützen, keine Partei zu ergreifen. Ob reiner Informationsjournalismus im Fall Greenwald überhaupt möglich ist, ist fraglich. Der Mann vermeidet es auf Anraten seiner Anwälte zu reisen, selbst der "Guardian" steht wegen der Berichterstattung über die Geheimdienste NSA und GCHQ unter Druck.

Doch das unter Journalisten weit verbreitete Ideal des objektiven Journalismus ist nur eine Art Journalismus. Das Rollenverständnis der Investigativjournalisten, die Missstände von gesellschaftlichem Interesse aufdecken und beseitigen oder Behörden kontrollieren wollen, schließt ein subjektives Ziel nicht aus. Anwaltschaftlicher Journalismus verschafft jenen Öffentlichkeit, die sonst nicht gehört werden. Seine Vertreter lehnen wie Greenwald oft das Objektivitätsideal ab und favorisieren Transparenz. Doch für alle gilt: Die Fakten müssen stimmen. Ist es dann nicht egal, ob den Artikel ein Journalist, Aktivist oder Journalist-Aktivist geschrieben hat?

Ungeschickt ist es jedenfalls für Journalisten, aus der objektiven Distanz den Kontakt zu Internetaktivisten und Hackern abreißen zu lassen oder den Kontakt gar nicht erst aufzubauen. Denn was Jacob Appelbaum 2012 in seiner Kongress-Keynote über das NSA-Datenzentrum in Utah sagte, machte ein halbes Jahr später fette Schlagzeilen und war ein bestimmendes Thema 2013. (Sabine Bürger, derStandard.at, 31.12.2013)