Salzburg - "Ich war noch nie bei den Salzburger Festspielen. Als Jürgen Flimm mich anrief, hat es mich gleich gereizt. Es ist eine unerwartete Gelegenheit, die man am Schopfe packen muss." Die ostdeutsche Autorin Christa Wolf (74) weilt ab kommendem Wochenende für drei Veranstaltungen als "Dichterin zu Gast" in Salzburg und gedenkt, vom kostbaren Festspielprogramm üppigen Gebrauch zu machen: "Natürlich sind die freien Abende schon ausgebucht." Für La clemenza di Tito, Don Giovanni, Jedermann und Woyzeck hat Wolf Karten geordert.

Wolf, unkorrumpierbare Stimme einer spezifisch "ostdeutschen" Welt- und Literaturbetrachtung, wähnt sich vor allzu neugierigen Festspiel-Habitués in Sicherheit: "Es ist wunderbar, dass ich das Image habe, scheu zu sein. Dabei bin ich genau das Gegenteil. Ich habe überhaupt keine Angst vor Salzburg. Außerdem kennt man mich hier als Person doch gar nicht."

Das ermögliche es ihr, quasi inkognito durch die Festspielstadt zu spazieren, hofft die Autorin, deren neues Buch Ein Tag im Jahr, eine Sammlung von jeweils am 27. September niedergelegten Notaten, im September erscheint: ein 40 Jahre überspannendes Kompendium gewissenhafter Selbstreflexivität.

Die Auftaktveranstaltung zu "Dichterin zu Gast" (17. 8., 11 Uhr) bestreitet Wolf mit einer Lesung aus ihrem letzten, vor eineinhalb Jahren erschienenen Krankengeschichtenbuch Leibhaftig.

Die zweite Veranstaltung (18. 8., 19.30 Uhr) ist vier verstorbenen DDR-Dichterinnen gewidmet: Die Schauspielerinnen Jutta Hofmann und Johanna Schall lesen Texte von Inge Müller, Maxie Wander, Brigitte Reimann und Irmtraud Morgner.

Die Abschlussveranstaltung in Salzburg (20. 8., 22 Uhr) soll "ein Gesamtkunstwerk von Text, Musik und Malerei" bieten. Während Wolf aus Medea. Stimmen liest, gibt es dazu Musik und Live-Painting via Overhead-Projektor. Die Veranstaltungen finden durchwegs im Salzburger Landestheater statt: 0662/80 45-500. (APA, poh/DER STANDARD, Printausgabe, 12.8.2003)