Monrovia - Sogar mit seinen Abschiedsworten verbreitete der liberianische Präsident Charles Taylor noch Angst und Schrecken. "So Gott will, werde ich zurückkehren", sagte er vor seinem angekündigten Rücktritt. Die Menschen in Liberia fürchten jedoch genau das. Sie glauben nicht, dass Taylor sich im Exil in Nigeria aus der Politik zurückzieht. Als ersten Hinweis darauf deuten sie, dass Taylor Vizepräsident Moses Blah zu seinem Nachfolger ernannte.

Reiseverbot und internationaler Haftbefehl

"Solange er noch lebt, werde ich Angst vor ihm haben", sagt der 46-jährige Andrew Tulay in der liberianischen Hauptstadt Monrovia. Nigeria versucht, diese Bedenken zu zerstreuen. Aus Behördenkreisen verlautete, Sicherheitskräfte sollten Taylor überwachen um zu verhindern, dass er sich in die liberianische Politik einmische. Für den Expräsidenten und seine Gefolgschaft stellt Nigeria drei Häuser in der Stadt Calabar im Südosten des Landes zur Verfügung. Wenn er dort ankommt, schränken ein Reiseverbot der UNO und ein internationaler Haftbefehl seine Bewegungsfreiheit stark ein.

Klagen könnten Asylrecht gefährden

Taylor hat deutlich gemacht, dass er seinen Rückzug von der Macht nur als vorübergehend betrachtet. Er hält sich die Möglichkeit offen, bei den nächsten Wahlen zu kandidieren, die nach einer Übergangszeit angesetzt werden sollen. Vizepräsident Blah, der von Taylor die Macht übernimmt, gilt den Rebellen als Marionette des Expräsidenten, der sich so weiteren Einfluss auf die Politik in Liberia sichere.

Doch auch viele Nigerianer stehen dem Asyl Taylors skeptisch gegenüber. Sie befürchten, der Expräsident könnte versuchen, ihr Land als Basis zu benutzen, um weitere regionale Konflikte anzuzetteln. Schließlich wird Taylor vorgeworfen, als Diamanten- und Waffenschieber die Rebellen in Sierra Leone sowie in der Elfenbeinküste und in Guinea unterstützt zu haben. Die Klagen gegen Taylor könnten zu einer juristischen Auseinandersetzung darüber führen, ob ihm nach internationalem Recht überhaupt Asyl gewährt werden darf.

So reichte die größte Journalistengewerkschaft in Nigeria bereits Protest gegen das Asylangebot ein. Sie erklärte, Taylor sei in die Ermordung von zwei nigerianischen Journalisten 1990 verwickelt. "Wenn er hierher kommt, sollte er sofort dem internationalen Strafgerichtshof übergeben werden", sagte Ike Abugu, ein Bankangestellter aus Lagos. "Die ganze Welt kann nicht in eine Richtung gehen und Nigeria in die andere."

Politikexperten: Asyl könnte Blutbad stoppen

Politikexperten verteidigen jedoch das Asylangebot. Der Gang Taylors ins Exil könne das Blutbad in Liberia stoppen, sagt Bola Akinterinwa vom Nigerianischen Institut für Internationale Angelegenheiten. Wenn Taylor von seinen Einkommensquellen abgeschnitten und isoliert werde, könne dies möglicherweise die Lage in Westafrika beruhigen. Natürlich sei die Forderung berechtigt, Taylor vor Gericht zu stellen. "Die Frage aber bleibt: Wird dieser Prozess der Region Frieden bringen?", erklärte Akinterinwa.

Nigeria: Interesse an friedlicher Machtübergabe

In Nigeria gibt es keine Auslieferungsgesetze. Das Land hatte schon zuvor umstrittenen Politikern und Rebellenführern Asyl angeboten. Derzeit leben die ehemaligen liberianischen Kriegsherren Prinz Johnson und Roosevelt Johnson in den Städten Lagos und Jos. Nigeria nahm auch den somalischen Präsidenten Mohammed Siad Barre für mehrere Jahre auf, nachdem er 1991 gestürzt worden war. Der nigerianische Präsident Olusegun Obasanjo erklärte, sein Land dürfe für das Asylangebot an Taylor, "diese humanitäre Geste", nicht unter Druck gesetzt werden.

Nigeria hat großes Interesse an einer friedlichen Machtübergabe im Nachbarland. Obasanjos Regierung äußerte die Befürchtung, die kriegerischen Auseinandersetzungen könnten auf Nigeria übergreifen, das bereits seit Jahren gegen wachsende ethnische, politische und religiöse Spannungen kämpft. Dabei wurden seit 1999 mehr als 10.000 Nigerianer getötet. Nigeria hat bereits 700 Soldaten nach Liberia entsandt, weitere 700 sollen folgen.

Diese Entscheidung fiel, obwohl die vorangegangenen Friedenseinsätze in den 90er Jahren wenig erfolgreich verliefen. Sie kosteten die Regierung Milliarden Dollar, mehr als 1.000 nigerianische Soldaten kamen ums Leben.(APA/AP)