Die Wohnung der Wiener Künstlerin Parasolia steht Kopf. Und wie! Während an der Decke die schwerelose Omama-Variante pickt, plätschert zu Füßen ein Bacherl. Wojciech Czaja kam aus dem Staunen nicht heraus.

"Mein ganzes Leben steht Kopf. Das war nicht immer so. Begonnen hat das alles in meiner vorigen Wohnung im siebten Bezirk. Die hatte 20 Quadratmeter, und weil 20 Quadratmeter nun mal nicht besonders viel sind, muss man sich zu helfen wissen. So landete ein Teil meiner Möbel an der Decke, und die Wohnung hatte plötzlich, wenn man einmal das kleine Problem der Schwerkraft unberücksichtigt lässt, 40 Quadratmeter Nutzfläche. Das war schon was!

"Meine Wohnung hat 78 beziehungsweise 156 Quadratmeter. Alles nur eine Frage des Standpunkts." Parasolia in ihrem schwerelosen Zwergerlbahn-Paradies. (Foto: Lisi Specht)
Foto: Lisi Specht

Meine jetzige Mietwohnung in der Oberen Donaustraße im Zweiten, nur wenige Schritte vom Donaukanal entfernt, hat 78 beziehungsweise 156 Quadratmeter. Begonnen hat's damit, dass ich meinen Lieblingsfauteuil, für den ich unten keinen Platz hatte, an die Decke geschraubt hab. Dann kam ein Esstisch dazu, dann meinten einige Leute, da fehlt noch ein Kamin, ein anderer hat sich dann einen Fernseher gewünscht, dann kamen Zimmerpflanzen, ein paar Wandregale und Kuscheltierschädel dazu, und so weiter. Die Gaszählerableser und Thermenmenschen sind immer ganz fix und fertig, wenn sie reinkommen.

Das eigentliche Problem mit der kopfstehenden Möblierung ist – neben der Gravitation – die Montage, denn die Tramdecken mit den Hohlräumen halten nix aus. Die leichten Sachen sind geklebt, die schweren Dinge aber sind mit Flügeldübeln angeschraubt. Das ist verdammt viel Arbeit! Insgesamt hat die Einrichtung der gesamten Wohnung drei, vielleicht vier Wochen gedauert.

Oben an der Decke, in 3,60 Meter Höhe, pickt meine Traumwohnung: altmodisch, Fünfziger- und Sechzigerjahre, alles wie bei Omama. Unten hingegen, auf der realen Benützungsebene, befindet sich eine etwas modernere, etwas benutzerfreundlichere und alltagstauglichere Wohnung, was meine Gäste sehr zu schätzen wissen. Bequem muss es sein. Das ist das Wichtigste. Damit man nicht schon nach wenigen Minuten eine Genickstarre bekommt, wenn man in die Deckenwohnung schaut.

Es gibt kaum ein leeres Eckerl. Sogar der Kühlschrank ist innen tapeziert, damit sich das Freilandschwein beim Liegen wie daheim fühlt. Ich könnte niemals in einem weißen Raum leben. Das würde mich aggressiv machen. Ich hab als Kind immer davon geträumt, in der Zwergerlbahn im Prater zu leben. Nun, viele Jahre später, habe ich mir diesen Traum erfüllt: viel Grün, viel Rot, viel Orange, viele Zwerge, und eines Tages kommt sicher noch die Bahn dazu.

Das jüngste Projekt ist die Kochinsel. Alle reden davon, dass sie zu Hause eine Kochinsel haben. Und ich bin dann immer so enttäuscht, denn keine dieser sogenannten Kochinseln wurde jemals ihrem Namen gerecht. Aus der Summe der Enttäuschungen hab ich mir dann meine eigene Kochinsel geschaffen, hab also den Küchenbereich um 35 Zentimeter angehoben, mit Kunstrasen belegt und rundherum einen 400 Liter großen plätschernden Bach mitsamt hübschem Brückerl gebaut. Insgesamt leben da 60, 70 Fische. Sie haben's gut bei mir. Jedenfalls hat sich noch keiner beschwert. Sie haben ja auch alles – sogar eine Mini-Sushi-Bar, eine Krankenstation, eine Romantikruine und ein Hamsterfischlaufrad.

Alles in allem kann ich sagen: Die Wohnung ist meine Berufung, und ich bin die Hausfrau. Ich liebe diese verkehrte Welt. Ich bin sicher niemand, der mit beiden Beinen im Leben steht. Ich schwebe eher irgendwo dazwischen. Zwischen oben und unten, zwischen Tag und Nacht, zwischen Leben und Tod. Früher, als ich noch ein echter Grufti war, hab ich sogar in einem Sarg geschlafen. Aber das war auf Dauer dann doch recht unbequem. Jetzt schlaf ich in einer aufklappbaren Kiste. Das ist sozusagen die Emanzipation der Gruftis." (DER STANDARD, 4.1.2014)