Für Tourismusforscher Günther Aigner...

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... hängt die Zukunft des Skisports auch an der Entwicklung der Einkommen in den Quellmärkten.

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Standard: "Schifoan is des Leiwandste, wos ma si nur vurstoin kann", sang Wolfgang Ambros in seinem unnachahmlichen Wiener Dialekt schon 1976. Für wen ist es das Leiwandste, welchen Typus Mensch spricht das Skifahren an?

Aigner: Es spricht Jung wie Alt an, alle soziale Schichten, sportliche genauso wie weniger sportliche. Skifahren kann man unterschiedlich intensiv.

Standard: In den Anfängen war es vor allem Mittel zur Fortbewegung?

Aigner: Das ist richtig. Man ging mit Skiern auf die Jagd, weil man damit erfolgreicher war. Man benutzte Skier aber auch zu militärischen Zwecken. Heutzutage geht es um das freudvolle Verbringen der Freizeit, den Genuss von Landschaft, Sonne und Schnee, um die Auseinandersetzung mit Naturgewalten wie beim Tiefschneefahren oder um das Spiel mit den Kräften wie beim Carving.

Standard: Kann Skifahren die Stütze des Wintertourismus in den Alpen bleiben, zu der es mittlerweile geworden ist?

Aigner: Das hängt davon ab.

Standard: Wovon hängt das ab, vom Klimawandel?

Aigner: Weniger davon, mehr von der Entwicklung der Einkommen in den wichtigsten Quellmärkten. Dass Skifahren toll ist, bestreitet kaum jemand, der es selbst einmal probiert hat. Die Frage ist, wer kann und will sich das leisten. Skifahren ist zwar schön, aber nicht lebensnotwendig. So wie es derzeit läuft, wird Skifahren auch bei uns wieder zum Luxusgut, so wie in den USA. Skifahren muss wieder leistbar werden.

Standard: Früher war Skifahren auch in den Alpen ein Elitesport?

Aigner: Der Beginn des alpinen Skisports war vor 125 Jahren. Nur ein paar Einheimische und wenige Gäste haben den Sport praktiziert. Die Skilegende Karl Koller, Gründer der Skischule "Rote Teufel" in Kitzbühel, hat einmal gesagt, die typischen Skifahrer der Zwischenkriegszeit in Kitzbühel seien Fabrikanten, Aristokraten und Industrielle gewesen, salopp gesagt: Leute mit viel Geld und wenig Arbeit.

Standard: Vergleichbar mit den Anfängen des Alpinismus?

Aigner: Absolut. Die Geschichte des alpinen Skisports ist drei bis vier Jahrzehnte zeitversetzt zum Alpinismus, wurde aber von der gleichen Klientel aus den gleichen Motiven betrieben. Der Skilauf selbst wurde erst nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem beginnenden Wirtschaftswunder zum Massenphänomen. Da sind auch die meisten Skigebiete entstanden.

Standard: Liegt das goldene Zeitalter des Skifahrens hinter uns?

Aigner: Das hängt von Entscheidungen ab, die von der Politik mit beeinflusst werden. Faktum ist, dass 1980 weltweit zehn Millionen Paar Ski verkauft wurden, so viele wie nie. Seither ist die Anzahl der verkauften Ski auf 3,1 Millionen Paar zurückgegangen. Wir haben das Phänomen, dass die Zahl der Skisportler seit einiger Zeit schrumpft.

Standard: Ist es nicht so, dass immer mehr Leute auf Leihski umsteigen, statt sich eigene Ski zu kaufen?

Aigner: Das auch. Insgesamt gibt es wenige harte Daten dazu. Vertreter der Skiindustrie jedenfalls gehen davon aus, dass es weltweit 50 bis 60 Millionen Skifahrer gibt. Sie sagen auch, dass der globale Skimarkt seit 1980 kontinuierlich leicht geschrumpft ist.

Standard: Schon bei 40 Euro für eine Tageskarte hat man gedacht, das sei die Schmerzgrenze. Inzwischen zahlt man in einigen Skigebieten schon deutlich mehr?

Aigner: In Österreich wird die magische Grenze von 50 Euro wahrscheinlich nächstes Jahr gerissen. In der Schweiz, in Frankreich und insbesondere in den USA war Skifahren immer wesentlich teurer.

Standard: In den USA war Skifahren nie ein Massenphänomen.

Aigner: Das stimmt. Wenn die Kaufkraft der Menschen nicht wider Erwarten steigt, werden auch viele Skipisten in Österreich zunehmend leerer. Vor allem etliche kleine und mittelgroße Skigebiete haben den Preisplafond nach meinem Dafürhalten schon erreicht. Viele dieser Skigebiete sind nicht kostendeckend zu führen und müssen von der öffentlichen Hand gestützt werden. Über das spricht man allerdings nicht sehr gerne.

Standard: Ohne die kleinen Skigebiete aber wird über kurz oder lang der Skifahrernachwuchs auch für die größeren fehlen, oder?

Aigner: Das glaube ich auch. Die kleineren Skigebiete müssten sich eingestehen, dass sie mit den großen nicht mithalten können. Sie müssten sich spezialisieren - als Familien- oder Jugendskigebiet, als Snowboard-Zentrum wie der Kreischberg in der Steiermark oder Fieberbrunn in Tirol als Freeride-Hochburg. Es bedarf eines nationalen Schulterschlusses mit dem Ziel, dass Skifahren in Österreich zumindest temporär wieder leistbar wird. Sonst entfernt sich der Skisport zunehmend aus dem Zentrum der Gesellschaft.

Standard: Was stellen Sie sich vor?

Aigner: Dass man beispielsweise flächendeckend Gratis-Schulskiwochen anbietet. Aus Erfahrung weiß man, dass kaum jemand zum Skifahrer wird, wenn er nicht als Kind damit angefangen hat.

Standard: Die Seilbahnwirtschaft investiert rund 500 Millionen Euro pro Jahr in Aufstiegs- und Beschneiungsanlagen. Vernünftig?

Aigner: Die großen, bekannten Skigebiete im Westen Österreichs wie Kitzbühel, Ischgl, Sölden oder Arlberg haben kein Problem, auch noch höhere Ticketpreise durchzusetzen. Für die kleinen und mittleren wird es eng.

Standard: Und der Klimawandel ...

Aigner: ... erfolgt nicht linear. Die Klimaforscher, die in den 1990er-Jahren gesagt haben, in 20 Jahren kann man unter 1500 Metern nicht mehr Skifahren, sind falsch gelegen. Tatsächlich sind die Winter auf Österreichs Bergen in den letzten 20 Jahren kälter geworden, wie Messdaten belegen. Zumindest mittelfristig geht vom Klima keine Gefahr für den Skisport aus. (DER STANDARD, 4.1.2014)