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Schröcksnadel: "Dass sich ein Sportler politisch äußert, kann man nicht verlangen. Ein Künstler kann das eher."

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STANDARD: Wie erklärt sich der ÖSV-Präsident einen derart plötzlichen Erfolg wie jenen des Thomas Diethart?

Schröcksnadel: Das muss ich nicht erklären können. Es ist toll, dass so etwas passiert, gratuliere! Ich bin happy, dass es jetzt Junge gibt, die die Arrivierten anstacheln. Das ist im Skispringen schon lange nicht der Fall gewesen, deshalb gab es bereits die gewisse Tendenz, dass die Mannschaft nicht mehr so toll war.

STANDARD: Ist es nicht bemerkenswert, dass Diethart zuvor den üblichen ÖSV-Weg, also das Skigymnasium Stams verlassen hat?

Schröcksnadel: Stams ist nicht der eine ÖSV-Weg, Stams ist einer von vielen Wegen. Und nicht jeder Topsportler muss die Matura haben. Man muss kein Studierter sein, um im Sport Erfolg zu haben.

STANDARD: Wie viel Erfolg erwarten Sie von den ÖSV-Maturanten und -Nichtmaturanten bei den Olympischen Spielen im Februar?

Schröcksnadel: Sechs bis acht alpine Medaillen sollten sich schon ausgehen, dazu mindestens drei nordische und noch etwas im Snowboarden. Naja, eigentlich sollten zwölf Medaillen die untere ÖSV-Grenze sein.

STANDARD: Was sagen Sie zur Diskussion darüber, ob hochrangige Politiker nach Sotschi fahren sollen oder nicht?

Schröcksnadel: Ich begrüße sehr, dass Bundeskanzler Faymann und Sportminister Klug vor Ort sein werden und den Sportlern den Rücken stärken. Wenn Bundespräsident Fischer auch kommt, würde uns das freuen. Man darf Politik nicht auf dem Rücken der Sportler austragen. Jetzt zu verlangen, die Politiker sollen Sotschi boykottieren, ist Unsinn.

STANDARD: Damit kritisieren Sie, dass der deutsche und der französische Präsident den Spielen fernbleiben.

Schröcksnadel: Ich kritisiere gar nichts. Ich stelle nur fest, was für unsere Sportler gut ist. Und für die ist es gut, dass Faymann hinfährt.

STANDARD: Aber darin, dass schwere Menschenrechtsverletzungen in Russland passieren, stimmen wir doch überein, oder nicht?

Schröcksnadel: Das will ich nicht beurteilen. Ich weiß nur, was ich in der Zeitung lese. Und was ich in der Zeitung lese, ist mir zu wenig. Das ist ein politisches Thema, damit sollen sich Politiker auseinandersetzen.

STANDARD: Dass beispielsweise Homosexuelle in Russland große Probleme haben, ist doch allgemein bekannt.

Schröcksnadel: Soweit ich weiß, ist Homosexualität in Russland nicht verboten. Es ist nur verboten, offensiv dafür zu werben. Ich will das nicht gutheißen. Aber mir ist es auch lieber, es wird für Familien geworben, als es wird für Homosexualität geworben.

STANDARD: Zuletzt verstärkt sich immer mehr der Eindruck, dass sich Sportler und Funktionäre in anderen Ländern öfter und deutlicher zu politischen Themen äußern als österreichische.

Schröcksnadel: Das kann ich nicht beurteilen. Ich würde keinem Sportler raten, sich politisch zu äußern. Das ist nicht sein Thema. Ein Sportler will seinen Sport ausüben, will weit springen, schnell fahren, gewinnen. Darauf soll er fokussiert sein, das ist seine Welt. Hat er aufgehört, kann er ja immer noch in die Politik gehen.

STANDARD: Österreichs Sport beschwert sich oft darüber, dass Kunst und Kultur mehr Anerkennung genießen. Aber Künstler beziehen halt auch öfter Stellung.

Schröcksnadel: Ein Künstler kann das eher, es ist sogar seine Aufgabe. Dass sich ein Sportler politisch äußert, kann man nicht verlangen. Er würde nur über eine Welt reden, die nicht seine Welt ist.

STANDARD: Aber auch ein Sportler könnte auf Probleme in Russland hinweisen. Oder darauf, dass es auffällig ist, wie oft Großveranstaltungen in, sagen wir, problematischen Ländern stattfinden.

Schröcksnadel: Da gebe ich Ihnen schon recht, dass es Probleme in Russland gibt. Aber wenn ich Olympische Spiele nicht in Russland haben will, dann darf ich sie erst gar nicht dorthin vergeben. Dann muss ich von vornherein bestimmte Länder überhaupt von Bewerbungen ausschließen. Doch wenn die Spiele dort stattfinden, dann können sie sicher auch etwas bewirken.

STANDARD: Was wäre das?

Schröcksnadel: Sotschi hat schon etwas bewirkt, bevor es überhaupt losgeht dort. Es sind ja einige politische Häftlinge schon frei gegangen, Putin hat sie freigelassen. Das ist ein Verdienst des Sports, das wäre ohne die Spiele in Sotschi nicht passiert.

STANDARD: Man könnte auch sagen, Putin benützt die Olympischen Spiele, um sein Image zu polieren.

Schröcksnadel: Ich sehe es so, dass Russland wegen Sotschi in der Öffentlichkeit steht und sich für gewisse Dinge rechtfertigen muss. Und das ist nicht schlecht. (Fritz Neumann, DER STANDARD, 4./5.1.2014)